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Nämlich verheiratet

 

Liebhaber-Stück

 

 

 

 

 

6. Aufzug

 

 

Wohnzimmer Tinas mit Bettcouch und Computer. Im Hintergrund Tür zu einem Balkon, links vorn Tür in den Flur mit kleinem Flur, wo sich die Wohnungstür sowie die Küche und das Bad befinden sowie Sybilles bisheriges Wohnzimmer, in das Harald eingezogen ist.

 

Früh am Morgen. Sonnenschein. Im Bett Rudolf, zunächst nicht zu erkennen. Tina kommt im Bademantel aus der Küche, trägt ein Tablett mit Frühstück für zwei Personen zum Tisch, bemüht sich dabei, leise zu sein und den Schläfer nicht aufzuwecken. Umsichtig deckt sie den Tisch. Rudolf schnarcht plötzlich kräftig, dreht sich, schweigt. Tina setzt sich an den Tisch, unschlüssig, ob sie allein anfangen soll zu frühstücken oder den Schläfer wecken. Sie schaut ungeduldig auf die Uhr. Dann lässt sie ein Messer laut auf einen Teller fallen.

Rudolf (brummt).

Tina (wiederholt den Vorgang).

Rudolf (verschlafen): Bille?

Tina (lehnt sich fassungslos zurück, in einer Anwandlung von Wildheit greift sie sich das Messer, legt es aber sofort zurück).

Rudolf (murmelt unverständlich).

Tina (beugt sich über ihn, lauscht, versteht nichts, steht unschlüssig).

Rudolf (im Schlaf): He! Sie!

Tina (eilt in die Küche)

Rudolf (schaut kurz auf, stellt sich schnell wieder schlafend)

Tina (kommt mit einem kleinen Eimer Wasser, will ihn über Rudolf ausschütten.)

Rudolf (fährt wie von einem Alptraum getrieben hoch): Hilfe! (schaut sich betont schlaftrunken um, erblickt Tina) Was machst du denn da?

Tina (schlenkert demonstrativ den Eimer): Frühstück habe ich uns gemacht!

Rudolf: Frühstück? (schaut sich um) Ah ja! Frühstück! Wie spät ist das denn? (schaut auf die Uhr)

Tina: Es ist Zeit! (schlenkert den Eimer)

Rudolf: Verstehe! Keine Aufregung! Gib mir doch mal meine Hose. Bin sofort bereit!

Tina (schlenkert den Eimer)

Rudolf: Nur das Zifferblatt bisschen auffrischen!

Tina (schlenkert den Eimer, grimmig): Hätte gut Lust, dir das Zifferblatt zu putzen!

Rudolf (hat seinen Slip geangelt): Um Gottes willen! Was ist denn los?

Tina: Warst du neulich bei Bille unter der Couch?

Rudolf (hellwach, tut sehr erstaunt): Bille? (steigt in die Hose) Wer ist Bille?

Tina. Du lügst! (schlenkert den Eimer)

Rudolf: Nicht doch! Nicht das Wasser! Ich verstehe überhaupt nichts! Wir hatten eine so gute Nacht! So eine Begrüßung!

Tina: Hast schlecht geträumt, wie?

Rudolf: Ja, du sagst es! Da war, warte, wie war das doch! (setzt sich auf die Couchkante) Ach, irgendein Weib hat mich zugeparkt! Stell dir vor! Billett habe ich gerufen! Wo haben Sie ihr Billett! Und dann fuhr die auf mich zu! Du, die wollte mich überfahren! Wenn ich nicht zur Seite gesprungen wäre, hätte sie mich krankenhausreif gemacht. Ich glaube, ich habe sogar Hilfe geschrien. Im Schlaf!

Tina: Was bist du für ein durchtriebenes Stück!

Rudolf: Wieso denn aber? Was ist los?

Tina. Was los ist? Du hast neulich bei Sybille unter der Couch gesteckt, als ich mir Trost geholt habe bei ihr!

Rudolf: Du hast dir Trost geholt?

Tina: Nun lenk nicht ab, Mann!

Rudolf: Na Moment mal, junge Frau! Wer macht hier Ehebruch? Ich oder Sie?

Tina (kippt ihm wütend das Wasser ins Gesicht): Da!

Rudolf (schüttelt sich, äußerst cool): Ein Handtuch bitte!

Tina (setzt sich verblüfft): Mann, das hältst du im Kopf nicht aus!

Rudolf (demütig): Hast du kein Handtuch für mich?

Tina (springt auf): Ich springe ja schon! (eilt ab in die Küche)

Rudolf (schüttelt sich): Dolfi! Dolfi! Du wirst alt!

Tina (kommt zurück, wirft ihm Handtuch zu): Hier!

Rudolf (demütig): Willst du mir nicht ein bisschen behilflich sein?

Tina (noch immer aufgebracht): Gib zu, dass du mit Sybille heimlich... ach, ihr Männer, einer wie der andere!

Rudolf (trocknet sich): Nun hör mal gut zu, mein liebes Mädchen! Wenn du einen Verdacht hast, das mag ja sein. Aber darauf, auf eine Vermutung hin, solch eine Attacke zu starten, das ist nicht fair!

Tina: Du hast nichts mit Bille?

Rudolf: Wer ist Bille?

Tina: Du willst Sybille nicht kennen?

Rudolf: Wer ist das?

Tina: Na meine Freundin!

Rudolf: Deine Freundin?

Tina: Wohnt jetzt nebenan im Haus, hier gegenüber auf dem Flur!

Rudolf: Ach die!?

Tina: Ja die!

Rudolf: Die Tänzerin?

Tina: Siehst du, du kennst sie!

Rudolf: Strippt die nicht in einer Bar?

Tina: Du kennst sie wirklich nicht?

Rudolf: Über sie gesprochen haben wir. Ja! Sie wohnte doch bei dir! Oder?

Tina: Stimmt!

Rudolf: Jetzt erinnere ich mich. Hab sie nie gesehen. Das war doch das Verrückte! Sie schlief morgens immer noch, weil sie erst in der Früh nach Hause kam. Sag mal, bist du wirklich so eifersüchtig? Da stimmt doch was nicht!

Tina (heftig): Bin sauer!

Rudolf: Auf mich?

Tina: Auf euch Männer!

Rudolf: Läuft’s nicht mit Harald? (kleidet sich an)

Tina: Bist du mein Freund? Mein echter Freund?

Rudolf: Was fragst du!

Tina: Habe mir Illusionen gemacht!

Rudolf: Gott, die haben wir doch alle! Früher oder später lösen sie sich in Wohlgefallen auf!

Tina: Oder in Kummer!

Rudolf: Entschuldige, bin ganz Ohr, aber wollen wir nicht bisschen frühstücken so zwischendurch?

Tina: Natürlich! Wart, ich gieß dir ein. (gießt ihm Kaffee ein, nimmt Platz) Nimm dir!

Rudolf (nimmt Platz): Danke! Also, Illusionen, sagst du. Zum Beispiel?

Tina (bereitet sich Brötchen): Entschuldige, wenn ich dich damit behellige. Sonst renne ich immer zu Sybille. Aber seitdem sie ausgezogen ist, klappt das nicht mehr so.

Rudolf (bereitet sich Brötchen): Verstehe.

Tina. Ja, wo soll ich anfangen?

Rudolf: Irgendwo! Spuck es aus, und wir sortieren es.

Tina: Weißt du, ich hatte die Illusion, ich könnte mit Harald alles so machen in meiner Ehe, wie wir das in „Minna“ empfehlen...

Rudolf (verschluckt sich fast): Alles?

Tina (schaut kurz aufmerkend): Mehr oder weniger!

Rudolf: Und das ging schief!

Tina: Inzwischen schlafen wir getrennt!

Rudolf: Nein!

Tina: Doch! Ich hab’s veranlasst.

Rudolf: Gründe? Wenn ich fragen darf?

Tina: Offiziell, weil ich abends oft noch am Computer arbeiten muss, wenn er schlafen will. Oder muss. Wenn er auf Reportage war. Er hat ja unterschiedlich Dienst.

Rudolf: Und inoffiziell? Welche Gründe?

Tina: Weil ich ihn hasse!

Rudolf (verschluckt sich fast): Um Gottes willen!

Tina: Er geht fremd!

Rudolf: Bist du sicher?

Tina: Ziemlich!

Rudolf: Beweise?

Tina: Keine!

Rudolf: Also eine Vermutung!?

Tina (trotzig): Ja, eine Vermutung!

Rudolf: Und mit wem?

Tina: Mit Sybille!

Rudolf (verschluckt sich fast): Der Stripperin?

Tina: Sie gibt es natürlich nicht zu. Er auch nicht! Aber ich spür es! Verstehst du? Ich spür es! Neulich, möcht ich behaupten, habe ich sogar ihren Duft in seiner Kleidung geschnuppert.

Rudolf: Verstehe. Du versuchst, ihm auf die Schliche zu kommen.

Tina: Ekelhaft! Er gibt natürlich nichts zu!

Rudolf: Wär er ja auch ganz schön blöd!

Tina: Wie bitte?

Rudolf: Entschuldige! Sagt man so hin! Ehebruch darfst du nicht zugeben, bis nicht klare Beweise dich zwingen! Gilt übrigens auch für uns zwei!

Tina: Ich habe ihm immer gesagt, dass ich mit dir flirte!

Rudolf: Ah so, flirten nennst du das.

Tina: Ja, flirten! Du musst für die Dinge nur die passenden Begriffe finden! Verstehst du! Dann kannst du glatt aus weiss schwarz machen.

Rudolf: Wie in der Politik.

Tina: Ehe ist im Grunde auch nur so was wie Politik!

Rudolf: Dann ist das ja tatsächlich nicht so gelaufen, wie „Minna“ empfiehlt.

Tina: Für meine Kolumne gibt’s interessantes Material. Aber eigentlich ist’s eine Pleite!

Rudolf: Ernsthaft! Ich komme immer noch nicht ganz klar. Er tut doch offenbar nur, was wir auch tun!

Tina: Mir dir wäre mir das nicht passiert!

Rudolf: Vorsicht!

Tina: Aber du warst ja nicht zu haben!

Rudolf: Lenkst du da jetzt nicht ab, meine Teure?

Tina: Du hast immer abgelenkt, wenn ich mal so Anspielung gemacht habe.

Rudolf: Der Schinken ist gut hier! Darf ich noch?

Tina:: Hättest du mich geheiratet?

Rudolf: Ich war jedenfalls ziemlich geschockt, als ich’s erfuhr!

Tina: Ja, bist ja auch gleich aufgekreuzt!

Rudolf: Lass dich scheiden!

Tina: Kann ich nicht!

Rudolf: Was steht dagegen?

Tina: Bin ich in der Redaktion unten durch!

Rudolf: Wo gibt’s denn so was?

Tina: Kann ich mir nicht leisten!

Rudolf: Irgendwie, also entschuldige, bist du ein bisschen, entschuldige meine Offenheit, aber mir scheint das doch irgendwie kleinlich!

Tina: Hättest du mich denn geheiratet?

Rudolf: Das ist eine Frage, die muss man sich stellen, wenn man im Bett liegt.

Tina: Siehst du, wieder lenkst du ab!

Rudolf: Wenn man sich gerade gut geliebt hat und noch ganz heiß ist, dann kann man diese Frage aufwerfen!

Tina: Na dann komm! (erhebt sich, geht zur Couch)

Rudolf: Schatz, entschuldige, eben haben wir eine Nacht...

Tina: Na und? Bin heiß!

Rudolf: Gut, gut! (steht schlaff auf) Aber vergiss nicht, noch bist du verheiratet!

Tina: Keine Illusionen!

Rudolf: Genau! (setzt sich zurückhaltend neben ihr auf die Couch)

Tina (nachdenklich): Weißt du, mein Problem ist, dass ich mir einbilde, dich hätte ich nicht betrügt! Das wäre einfach nicht gegangen! Aber bei Harald... Komisch! Wirklich komisch!

Rudolf: So was gibt’s! Rational nicht zu erklären!

Tina: Und dann kommt dazu, dass ich mich mit jedem Scheiß identifiziere! Schrecklich! Es gelingt mir einfach nicht, den Dreck auf Distanz zu halten!

Rudolf: Oh, das ist die Kunst! Mein liebes Kind, das ist sogar eine große Kunst! (steht wieder auf) Das muss ich dir jetzt bieten. Hör zu! Ich hatte einen Philosophie-Professor, der hatte den Finger genau auf deinem Problem. Toller Typ! Erst hat der uns die Welt erklärt vom Urschleim bis zur Revolution, und dann hat er gesagt: Leute, Leute, eigentlich ist das alles Brimborium! Im Leben kommt es nur auf eins an: Man muss es sich auf Distanz halten! Toll! Nicht? Auf Distanz halten!

Tina: Das schaff ich nie!

Rudolf: Ob Beruf, ob Ehe, man muss sich geistig so trainieren, dass man alles irgendwie nebenbei erledigt.

Tina: Eigentlich verlogen! Abgrundtief verlogen! Oder?

Rudolf: Kann man, glaub ich, so nicht sagen. Es ist ein schwieriges Lavieren. Aber mit dem Alter und der Erfahrung...

Tina: Mit anderen Worten: Du bist mein Liebhaber nebenbei, und das ist gut so!

Rudolf: Ob das gut so ist, weiß ich nicht.

Tina: Doch, doch!

Rudolf: Liebhaber glauben zuweilen, sie könnten ewig schnackeln! Pustekuchen! Letztlich ziehen sie immer den kürzeren!

Tina: Was? (schaut ihm zur Hose) Bei deiner Erfahrung!

Rudolf: Lenk nicht ab, du! Wir tüfteln hier schon wie ein altes Ehepaar, um in Schwung zu kommen.

Tina: So ist das wieder! Wenn Frau möchte, ziert sich der Herr. Wenn der Herr möchte, muss Frau springen!

Rudolf: Ja, so ist das! So geht es zu auf der Welt!

Tina: Ob mit Distanz oder ohne Distanz!

Rudolf: Komm, lass uns küssen! Das ist noch immer die beste Methode, um in Fahrt zu kommen. (will sie küssen)

Tina (entzieht sich, lacht): Fällt mir ein Witz ein.

Rudolf (hält ein): Ein Witz?

Tina: Ein Kuss ist das Klingelzeichen, dass unten einer steht!

Rudolf: Was für ein Witz! (zieht sie an sich, will sie küssen)

(Flurklingel)

Tina (entzieht sich): Es klingelt!

Rudolf (sarkastisch): Wie auf Bestellung!

Tina: Wer mag das sein?

Rudolf: Hoffentlich nicht dein Mann!

Tina: Heutzutage ist alles möglich!

(Flurklingel)

Rudolf: Und da bist du so ruhig? Willst du nicht wenigstens mal gucken?

Tina (nachdenklich): Seltsam! Wirklich seltsam! Manchmal wünschte ich, dass das Schicksal von außen eingreift und mir die Entscheidung abnimmt!

Rudolf: Das ist aber jetzt nicht die Philosophie von „Minna“, nein?

Tina: Minna, Minna! (geht zur Wohnungstür, schaut durch den Spion)

Rudolf: Na?

Tina (kommt zurück, entspannt): Sybille!

Rudolf. Die Tänzerin?

(Flurklingel)

Tina: Ja, die Tänzerin!

Rudolf: Hat mir gerade noch gefehlt!

Tina (aufmerkend): Ach?

Harald: Nicht doch, nicht doch!

(Flurklingel)

Tina: Die ist hartnäckig. Die weiß, dass ich zu Hause bin!

Rudolf: Du willst sie hereinlassen?

Tina: Na klar. Wird nicht lange dauern!

Rudolf (verlegen): Da möchte ich aber nicht... Geh ich schnell mal nebenan, ja?

Tina (erstaunt): Wieso das denn? Willst du sie nicht kennenlernen?

Rudolf: Habe eigentlich keinen Bedarf!

Tina: Musst sie ja nicht gleich heiraten!

Rudolf: Meinst du?

Tina: Ist doch eine Gelegenheit. Und wenn sie sieht, dass ich Besuch habe, wird sie nicht lange stören.

Rudolf: Verstehe! Lass sie rein!

Tina (geht zur Wohnungstür, öffnet): Grüß dich, Bille, passt schlecht, hab Besuch!

Sybille: Und ich hab ein Problem! Paar Minuten! Ja?

Tina: Na bitte!

Sybille (eilt herein): Oh!

Rudolf: Guten Tag!

Tina: Darf ich bekannt machen? Sybille, meine Freundin. Herr Bernhardi!

Rudolf: Freut mich, Sie kennen zu lernen.

Sybille: Ganz meinerseits! Uff! (sinkt in einen Sessel) Brauch dringend einen Kognak!

Tina (verwundert): Einen Kognak?

Sybille: Hast du was da?

Tina: Ja, französischen! Herr Bernhardi hat mir gerade welchen mitgebracht! Was hast du denn? Ist dir nicht gut?

Sybille: Ich brauch wirklich einen Kognak! Dringend!

Rudolf: Ich hole die Flasche!

Tina: Nein, mach ich schon!

Rudolf (bestimmt): Bitte! Du bleibst bei deiner Freundin, und ich hole Gläser und Kognak! Klar? (ab)

Tina (fügt sich): Gut, ist lieb von dir!

Sybille (hastig): Der war die Nacht bei dir?

Tina: Harald darf das nicht erfahren! Ich beschwöre dich!

Sybille: Keine Sorge!

Tina: Reiner Zufall, dass er hier war! (ruft) Rudolf, findest du?

Rudolf (kommt mit Flasche und Glas zurück): Kein Problem!

Sybille: Ah, das sieht gut aus!

Rudolf: Gleich geht’s Ihnen besser! (schenkt ihr ein) Bitte!

Sybille (schaut ihn scharf an): Danke! (kippt sich das Glas hinter, grimmig) Sie können meinetwegen mit anhören, was los ist! (schenkt sich neu ein)

Rudolf: Ich kann gern mal rausgehen inzwischen!

Tina: Soll er?

Sybille: Nicht nötig! (kippt sich das Glas hinter) Gut das Zeug! (schaut die Flasche an) Welche Marke?

Rudolf: Hab jetzt vergessen!

Sybille: Macht nichts! (schenkt sich noch einen ein) Französisch ist gut!

Tina (bestürzt): Du, hör mal, gemessen an deinem Durst, also was ist?

Sybille: Er betrügt mich! (zeigt zu Rudolf, dann zu Tinas Computer-Sessel) Sie können dort mal Platz nehmen, Herr...

Rudolf: ...Bernhardi! (nimmt betont artig auf dem Sessel Platz)

Sybille: Genau! Ja, er betrügt mich, und ich weiß es! Ich sehe es geradezu!

Tina (begreift): Ach, der unter deiner Couch neulich!?

Sybille: Genau!

Tina: Entschuldige, wenn ich da überrascht bin. So was hat dich doch nie gestört!

Sybille: Bei dem stört es mich! Verstehen Sie, Herr Rudolf?

Tina: Wirf ihn raus!

Sybille (zu Rudolf): Ist das auch Ihre Meinung, Herr...?

Rudolf: Gott, entschuldigen Sie, da möchte ich mich nicht einmischen! Nein, wirklich nicht!

Sybille: Nein, möchten Sie nicht! (schenkt sich noch einen ein)

Rudolf: So was muss jeder mit sich selbst ausmachen! Letztlich!

Sybille: So, so! (kippt das Glas hinter) Finden Sie! Und du?

Tina: Ich finde, du trinkst zu viel! Entschieden zu viel!

Sybille: Der ist gut!

Tina: Wirfst ihn raus und fertig!

Sybille: Ich liebe ihn!

Tina: Ach du Schreck!

Sybille: Siehst du, jetzt begreifst du endlich, wie kompliziert das ist! Wenn man so alt geworden ist wie ich, verstehst du, mit x Männern im Bett und ewiger Einsamkeit zwischen den Schenkeln, dann kann man den Lover, den man zum Ehemann machten möchte, nicht einfach rauswerfen, wenn er fremd geht!

Tina: Ist ja ganz was Neues! Seit wann geht ein Liebhaber fremd?

Sybille: Keine Ahnung! (will sich noch einen einschenken)

Tina: Oh bitte nein! Nicht noch einen!

Sybille: Es ist zum Kotzen! Na, Sie, Herr Rudolf, machen Sie auch so was mit Ihrer Geliebten?

Rudolf: Entschuldigung! Ich geh doch besser!

Tina: Nein, bleib doch bitte! Bille hat sich ausgekotzt, wir haben es ausgehalten, nun muss sie selber sehen! (zu Sybille) Was ist das überhaupt für ein Kerl?

Sybille: Oh, ein feiner Kerl! Ein wirklich feiner Kerl!

Tina: Du kennst ihn sicher kaum!

Sybille: Doch, doch! (zu Rudolf) Soll ich?

Rudolf (ratlos): Bitte!

Sybille: Interessiert Sie das überhaupt?

Rudolf: Tun Sie sich keinen Zwang an!

Sybille (zeigt, nun ziemlich trunken, auf Rudolf): So einer wie der da! Kannst du glauben!

Tina: Na und? Was sagt uns das?

Sybille: Du, sei nicht so überheblich! Du hast dir ja einen geangelt! Den Harald, den hätte ich auch genommen! Der ist ein Guter!

Tina: Lass Harald aus dem Spiel!

Sybille: Oh, bin ich betütert!

Rudolf (will besänftigen): Nüchtern sieht alles nicht so dramatisch aus!

Sybille: Dramatisch? Sie haben ja keine Ahnung Sie Schauspieler!

Rudolf: Na, na!

Sybille: Schauspieler machen keine Dramatik mehr in ihren Theatern, nur noch Scheiß! Nackte Frauen und Kotze auf der Bühne, ja, das ist alles, was Sie zu bieten haben! Nichts fürs Gemüt, nichts für die Seele!

Rudolf: Ich glaub nicht, dass Sie da gut informiert sind.

Sybille (zeigt zu Tina): Steht alles in der „Minna“ von ihr! Tina!! Eine junge hoffnungsvolle Journalistin, die gerade ihren Single-Hopser zum Ehe-Mann programmiert! Auf Festplatte, ha!

Tina: Du, jetzt reicht’s aber.

Sybille: Weiß ich nicht! Weiß ich absolut nicht!

Tina: Also bitte, nimm dich zusammen.

Sybille: Und wie ich mich zusammen nehme!

Tina: So kenne ich dich ja gar nicht!

Sybille: Du wirst mich kennen lernen.

Tina (ziemlich verwirrt): Du machst hier einen Zirkus! Das muss ja ein toller Typ sein!

Sybille: Ein fabelhafter Typ! So geil wie der da! (zeigt auf Rudolf)

Tina (ernsthaft beunruhigt): Bille, Bille, benimm dich!

Rudolf (nun entschlossen): Ich denke, es Zeit ist für mich zu gehen!

Sybille: Ja, gehen Sie endlich! Sie Schauspieler! Schauen hier zu, wie eine enttäuschte Frau ihre Seele auskotzt!

Rudolf (entschlossen): Tina, mach’s gut! (tritt schnell zu ihr, küsst sie hastig) Wir telefonieren! (zu Sybille) Leben Sie wohl, junge Frau! Nüchtern, ich sag’s Ihnen, nüchtern sieht alles viel besser aus! Viel günstiger als Sie denken! (eilig ab)

Sybille (stutzt in ihrer Trunkenheit): Wie meint er das?

Tina: Ist doch klar!

Sybille: Findest du?

Tina: Kalte Dusche! Ausnüchtern!

Sybille: Nee, da war ein Unterton!

Tina: Von mir aus! Unterton, Oberton! Pass auf, ich koch dir jetzt einen Kaffee, den trinkst du und dann vergeht der Frust!

Sybille: Ja, Kaffee, von mir aus! (strebt torkelnd zur Couch, lässt sich darauf fallen, streckt alle Glieder von sich, inbrünstig): Jetzt knuddeln! Aaaahh!

Tina: Sei vernünftig!

Sybille: Knuddelst du mich bisschen?

Tina (entsetzt): Bist du noch zu retten?

Sybille: Du bist echt knackig, du, weißt du das? Die Männer wissen, warum sie auf dich scharf sind!

Tina (empört): Also wenn du jetzt nicht sofort deine blöde Klappe hältst, werf ich dich raus! Verstanden!?

Sybille: Ja, ja, verstanden! Geh ja schon!

Tina: Am besten kalte Dusche und dann ins Bett!

Sybille: Du wirfst mich raus, dass ist der Gipfel!

Tina: Ich werf dich nicht raus!

Sybille: Ich komme vertrauensvoll zu dir, aber du wirfst mich raus!

Tina: Meinen Lover hast du rausgeworfen! So ist das!

Sybille: Wurde aber auch Zeit, du Ehefrau du!

Tina (verliert die Nerven): Scheiße! Gottverdammte! (greift zur Flasche) Irgendwie krieg ich das alles nicht mehr auf die Reihe!

Sybille: Siehst du! Ich hab’s gleich gesagt! Man heiratet nicht aus Berechnung!

Tina: Was ist los? Es wird ja immer verrückter.

Sybille (zeigt zur Flasche): Trink einen, und dann wirst du sehen!

Tina (anteilnehmend): Bille, du bist besoffen!

Sybille: Viel zu selten!

Tina (trinkt aus der Flasche): Und wie heißt der Kerl?

Sybille: Wenn ich dir das sage, fällst du in Ohnmacht!

Tina (trinkt): Na sag!

Sybille: Kannst du vergessen! Den werf ich raus!

Tina: Endlich ein Wort! Bei X Männern kommt es auf einen nicht an!

Sybille: Genau!

 

 

 

 

- Vorhang -