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Liebhaber-Stück
2. Akt
Sybille
liegt auf ihrer Doppelbett-Couch inmitten ihres Zimmers und schaut auf ihr
kleines Reich. Eine gemütliche Sessel-Ecke für zwei Personen, eine kleine
Kommode, ein passables Fernsehgerät und eine Leihgabe Tinas: ein großräumiger
Kleiderschrank für ihre modischen Ansprüche. Sybille lauscht.
Harald (prustet nebenan im Bad): Bille!
Sybille (tut verschlafen): Ja?
Harald: Willst du
nicht aufstehen?
Sybille (zögert zu
antworten, richtet sich etwas auf, befühlt ihre Brüste): Du warst auch schon
besser!
Harald: Kommt vor!
Sybille: Deine Ehe
nimmt dich ganz schön mit!
Harald: Geht
vorüber!
Sybille: Na
hoffentlich!
Harald: Kochst du
den Kaffee?
Sybille: Keine Lust!
Harald: Ich bin
ungeeignet! Weißt du ja!
Sybille: Na hör mal!
Jetzt bist du Ehemann! Jetzt musst du Kaffee kochen können!
Harald: Finde ich
nicht!
Sybille: Finde ich
schon!
Harald: Finde ich
nicht!
Sybille: Wo soll das
hinführen?
Harald (tritt auf, rubbelt sich mit einem Badetuch): Kann ich
dir sagen: zur Versklavung des Mannes!
Sybille (lacht): Das möchte ich erleben! Du und mein Sklave! Oh! Eigentlich gar
nicht übel! Das könnten wir mal probieren!
Harald (irritiert): Na langsam!
Sybille (animiert): Bin plötzlich ganz scharf
drauf!
Harald (brüsk): Reine Zeitverschwendung! (wickelt sich das Badetuch um die Hüfte)
Sybille (zeigt jauchzend zum Fußboden): Nieder mit
dir! Hier!
Harald: Nun mal
sachte! (dreht sich ab)
Sybille (gebieterisch): Hier geblieben!
Harald: Hö!
Sybille: Hier
geblieben!
Harald (gemäßigt): Hö!! (bleibt stehen)
Sybille (eifert fröhlich): Miese kleine Ratte!
Lass dich fallen! Sofort!
Harald: Find ich
aber gar nicht lustig!
Sybille: Hier und
sofort! Nieder mit dir! (zeigt
gebieterisch zum Rand ihrer Couch) Genau hier!
Harald: Genau dort?
Sybille: Armseliger
Nichtsnutz!
Harald (kapituliert): Na fein!
Sybille (fidel): Bett-Schmarotzer!
Harald: So werden
Sklaven beschimpft?
Sybille (munter): Und ausgepeitscht! Nach Strich und Faden! Wenn sie nicht gehorchen! (gebieterisch, keinen Widerspruch duldend)
Also! (weist mit ausgestrecktem
Zeigefinger auf den Boden vor ihrer Couch)
Harald (tritt unterwürfig heran): Wenn’s denn
sein muss! (bleibt stehen, öffnet
zeremoniell das Badetuch, demütig) Herrin wünschen?
Sybille: Nieder!
Harald (sinkt widerstrebend vor ihr auf die Knie)
Sybille (unzufrieden): Nieder! (deutet an, dass er sich vor ihr zu beugen
habe)
Harald: Also weißt
du...!
Sybille: Tiefer!
Harald: Wenn ich
nicht so ein friedlicher Mensch wäre! (beugt
sich und stützt sich auf seine Hände)
Sybille (setzt triumphierend einen Fuß auf seinen
Rücken): Kaffee ans Bett!
Harald: Darum
geht’s?
Sybille: Du weißt,
dass ich Popper vorm Frühstück rauswerfe.
Harald: Ich weiß!
Sybille: Also spute
dich! Sonst gibt’s Unheil! (drückt zur
Bekräftigung ihrer Forderung mit beiden Füßen auf seinen Rücken)
Harald (stöhnt theatralisch): Wie sie befehlen,
Herrin!
Sybille: Du bist die
Ausnahme, Sklavenseele! (drückt mit
beiden Füßen)
Harald (stöhnt theatralischer): Noch was?
Sybille: Kaffee ins
Bett!
Harald: Ins Bett?
Sybille: Erhöht das
Vergnügen!
Harald (wagt zu erwidern): Unter einer
Bedingung!
Sybille (rafft all ihre pathetischen Fähigkeiten
zusammen, schreit, die Silben dehnend): Was? Ein Sklave stellt Bedingungen?
Harald (bemüht trocken): Ich erhebe Alleinvertretungs-Anspruch!
Sybille: Was soll
das heißen!
Harald: Herrin, mir
passt nicht, dass dich auch noch andere Sklaven bedienen!
Sybille: Rebellion! (stößt Harald mit einem Fuß um)
Harald (hockt sich hin, wickelt sich ins Badetuch):
Musste ja mal gesagt werden!
Sybille (aufrecht sitzend und von oben herab): Mir geht es um Lust, mein Bester. Pure reine
Lust! Verstehst du? Die hole ich mir, so oft ich will und von wem ich will!
Harald (demütig): Ich weiß, ich weiß!
Sybille: Einmal habe
ich es probiert, dass einer bis zum Frühstück blieb. Und dann saß er da und war
unglücklich verliebt. Ich hatte Lust auf eine Nacht, aber nicht auf
Streicheleinheiten und Gefühle. Wer das nicht kapiert, dem kann ich nicht
helfen.
Harald (erhebt sich): Ich mache dann also
Kaffee! (kleidet sich an)
Sybille (schaut zu): Ich weiß wirklich nicht,
warum ich bei dir eine Ausnahme mache.
Harald: Bin einfach
gut!
Sybille: Bist bequem!
Harald: Na, na!
Sybille: Und
gelehrig.
Harald: Aha! (devot ab in die Küche)
Sybille (schlüpft in ihre weiße Toga, setzt sich in
einen Sessel und greift nach der „Minna“, dem Ehe-Magazin, bei dem Tina
angestellt ist, blättert gelassen)
Harald (mit
einem Tabelett aus der Küche)
Sybille (beiläufig):
Ist was von Tina in der ‚Minna‘?
Harald: Ich hoffe
nicht!
Sybille: Wie soll
das gehen? Sie ist da angestellt!
Harald: Natürlich
soll sie schreiben. Klar! So viel sie Lust hat, so viel sie kann. Nur nicht
über unsere Ehe! (stellt das Tablett auf
den Tisch, doch anstatt zu servieren, schaut er wohlwollend auf Sybilles
Outfit) Siehst toll aus!
Sybille: Sie schreibt
nicht über eure Ehe?
Harald: Das soll sie
mal schön bleiben lassen! (deckt möglichst selbstverständlich und gar
nicht servil den Tisch)
Sybille: Wäre doch
aber ganz lustig! Oder?
Harald: Ist alles
aufgepeppt in so einem Magazin!
Sybille: Findest du?
(legt das Magazin zur Seite)
Harald: Das reale
Leben ist langweilig, sagt sie.
Sybille: Eure Ehe ist
langweilig?
Harald: Nein! Aber
meine Ehe kommt nicht da rein!
Sybille:
Entschuldige, aber ich finde das kleinlich. Merkt doch kein Mensch, woher sie
ihre Ideen nimmt.
Harald: Mag sein,
mag sein! (verweist Anerkennung
erheischend lässig auf sein Werk)
Sybille: Wusste ich
doch, du hast’s gelernt!
Harald: Lernen,
lernen und nochmals lernen! (nimmt Platz,
gießt Kaffee ein, gibt etwas Kaffeesahne hinterher und schiebt Sybille die
Butter zu)
Sybille: Übrigens
wirklich günstig, dass Tina ab und zu auf Dienstreise muss. (bereitet sich ein Brötchen)
Harald: Ja, ja, das
macht die Ehe erträglich! (bereitet sich
ein Brötchen)
Sybille: Sie ist
sogar öfter unterwegs als du. Stimmt’s?
Harald: Naja, stimmt
möglicherweise. Mal so mal so. (versucht,
vom Thema abzulenken) Eine Hitze ist das schon wieder!
Sybille: So war’s in
Djerba jeden Tag! Schade, dass du nicht mitkommen konntest! Oder wolltest.
Harald: Job geht vor
Popp!
Sybille: Übrigens
begreife ich noch immer nicht, dass ihr geheiratet habt.
Harald: Manchmal
begreif ich’s ja auch nicht!
Sybille: Hat sie das
so forciert?
Harald: Könnte man
so einschätzen.
Sybille: Wusste sie
nicht, dass wir’s machen?
Harald: Sie tut
jedenfalls so, als habe sie es nicht gewusst.
Sybille: Und nun?
Harald: Klarer Fall!
Zwischen dir und mir spielt sich nichts ab, bin ja schließlich verheiratet.
Sybille: Und sie
glaubt das?
Harald: Zumindest
lässt sie mich glauben, dass sie es glaubt!
Sybille: Nur, damit ich mich darauf einstelle.
Verstehst?
Harald: Würde ich empfehlen.
Sybille (legt sehr bedacht Scheibe für Scheibe Salami
auf ein neues Brötchen): Weiß ich aber immer noch nicht, warum ihr
geheiratet habt.
Harald: Ich find’s
ganz spannend!
Sybille (spitzfindig): Doch nicht
etwa wegen der Steuer?
Harald: Glaub nicht,
dass das was bringt.
Sybille (unvermittelt): Ich vermute, Tina will
ein Kind von dir, und das soll nicht unehelich sein.
Harald: Was? Glaub
ich nicht!
Sybille: Man kann
doch nicht aus Daffke heiraten!
Harald: Man kann
alles, wenn man kann! (gießt Sybille und
sich Kaffee nach)
Sybille: Oder sie
braucht das für die Zeitung! Na klar! So ist das! Jetzt begreif ich! Sie
arbeitet in der Redaktion eines Ehe-Magazins und ist nicht verheiratet! Das
haut nicht hin! Das läuft nicht! Kann sie überhaupt nicht mitreden! Man hat sie
spüren lassen: Mädchen, du musst heiraten oder du kannst gehen...“
Harald: Könnte was
dran sein!“
Sybille (lacht plötzlich): Du bist ihr
Versuchs-Karnickel!
Harald: Unsinn!
Sybille: Aber klar!
Sonnenklar sogar!
Harald: Sie
schreibt nicht über uns. Musste sie sich abschminken!
Sybille: Und das
passt ihr?
Harald: Natürlich
nicht!
Sybille: Siehst du!
Ohne dass du es merkst, wird sie jede Kleinigkeit für ihre Zeitung nutzen!
Harald: Spielt sich
nichts ab! Dafür sorge ich!
Sybille: Wenn ich
mich richtig erinnere, sprach sie sogar mal davon, dass sie die Ehe-Kolumne
übernehmen könnte, wenn sie verheiratet wäre.
Harald: Unter uns –
eigentlich ist’s piepegal. Aber ich hab eben meine Grundsätze.
Sybille: Willst mich
verarschen?
Harald: Du hättest
mich ja nicht geheiratet! (schaut Sybille
herausfordernd an)
Sybille: Haste wahr!
(kaut fröhlich ihr Brötchen)
Harald: Oder?
Sybille: Was? Oder?
Harald: Na, ich
meine, hätte ich eine Chance gehabt?
Sybille: Du?
Harald: Na?
Sybille (zögert mit einer Antwort, bereitet sich
nachdenklich ein neues Brötchen)
Harald: Ehrlich!
Jetzt ganz ehrlich!
Sybille: Weißt
du...!
Harald: Ja?
Sybille: Gott, wenn
du so fragst. Schnee von gestern! (klappt
wie zur Bekräftigung den Deckel über die Butterdose)
Harald: Sag bloß,
du hättest mich geheiratet!
Sybille (fast patzig): Knall und
Fall jedenfalls nicht!
Harald: Aber peu à peu?
Sybille: Was
löcherst du mich jetzt! Ist doch vorbei! Abgehakt! Auch so ganz schön!
Harald: Du hättest
mich geheiratet?
Sybille: Lass doch
die Fragerei, Mann!
Harald (verstummt)
Sybille: Nun denn! (will aufstehen)
Harald (fasst impulsiv hinüber, hält sie fest):
Und warum willst du wissen, wieso ich so schnell geheiratet habe?
Sybille (schnippisch): Weiß ich doch! (entzieht sich ihm) Du wolltest mir
einen Denkzettel verpassen, weil du mich nicht gekriegt hast!
Harald: Bille!
Sybille: Stimmt’s?
Harald: Ist doch
alles hypothetisch!
Sybille: Was heißt
das?
Harald: Ein
Annahme, eine Vermutung!
Sybille: Aha! Und
was vermutest du?
Harald:
Beispielsweise…! (zögert)
Sybille:
Beispielsweise…? (bleibt ausdrücklich
sitzen, um ihm zuzuhören)
Harald: Zum
Beispiel vermute ich, dass Tina weg will! Sie träumt von einer eigenen Wohnung,
in der sie nicht mehr mit anhören muss, wie du nebenan deine, na, sagen wir
mal, Touren drehst!
Sybille: Aha! Das
stört sie?
Harald: Mich auch!
Sybille: Dich? Hm! (steuert ihre Couch an, wo das Bettzeug der
Nacht noch immer unaufgeräumt liegt) Habe mich wirklich sehr zurückgehalten,
seit du eingezogen bist!
Harald: In den
letzten Wochen war schon ganz schön was los!
Sybille: Benimm
dich! (hält ein, das Bettzeug
wegzuräumen)
Harald: Wenn du
hier loslegst, kriege ich nebenan Latte, verstehst du, und will auch. Dann tobt
sie!
Sybille: Wirklich? (hockt sich animiert auf die Couch)
Harald: ‘Du alte
Sau‘ ist noch das Freundlichste, was sie für mich übrig hat.
Sybille: So weit ist
das schon in eurer Ehe? Der Drang muss von außerhalb stimuliert werden?
Harald: Unsinn! Ich
bin eben nicht nur ein visueller Typ, ich bin auch ein akustischer Typ! So was
stimuliert mich, und schon, siehst du...!
Sybille: Tut mir
leid! (zieht die Schultern hoch und
leugnet, was sie sehr wohl sieht)
Harald: Komm, machen
wir noch einen!
Sybille: Na, dann
zeig mal den Lümmel!
Harald: Gleich
springt er weg!
Sybille: Ah, seh
schon, hat noch nicht gelitten unter der Ehe! Gib ihn her!
(Wohnungsklingel)
Harald: Ist denn
das die Möglichkeit?
Sybille (aufgeschreckt): Tina?
Harald: Nicht
möglich! Absolut nicht!
Sybille: Guck mal!
Harald: Nein, hab
jetzt Wichtigeres zu tun! (steigt aus
seiner Hose)
(Wohnungsklingel)
Sybille: Wir haben
doch Zeit, Mann! Bin neugierig! (eilt in
den Flur und schaut durch den Spion in der Wohnungstür)
Harald (ruft hinterher): Was soll das schon
sein, irgendeine Werbung!
Sybille (kommt zurück): Ein fremder Mann!
Harald: Na und?
Sybille: Sieht nicht
übel aus!
Harald: Lass den da
draußen! Hier wartet auch einer! (schlüpft
unter die Bettdecke)
Sybille (zeigt auf Haralds Lüstling): Den kenn
ich, den da draußen noch nicht!
Harald: Weib, ich
fass es nicht!
Sybille: Ich will
ihn kennen lernen!
Harald: Bist du
noch zu retten?
Sybille (empört): Entschuldige! Jetzt steht da
ein Mann, das kann wichtig sein! Und außerdem sieht er nicht übel aus!
Harald: Das muss
ich prüfen! (springt von der Couch,
flitzt in den Flur)
Sybille (ruft ihm hinterher): Sieht nicht
übel aus! Kannst es mir glauben!
Harald (kommt zurück): Das ist der Bernhardi!
Sybille (wie elektrisiert): Der Schauspieler?
Den wollt ich schon immer mal kennenlernen. Mann, jetzt erinnere ich mich!
Konnte ich vorhin nicht richtig erkennen. Los, verschwinde, den lass ich rein!
Harald: Also weißt
du!
(Wohnungsklingel)
Sybille (laut): Ja, Moment bitte! (zu Harald leise, aber sehr bestimmt)
Verdufte erst mal! Nicht gut, wenn der irgendetwas sieht! (rafft Slip, Hemd, Hose und Schuhe und drückte sie Harald in die Hand) Los,
Mann!
Harald: Mach’s
kurz, du, ich bitte dich, mach’s kurz! (hastet
in Tinas Zimmer)
Sybille (öffnet
die Wohnungstür): Hallo!
Rudolf (ein kompakter Nestor der Schauspielkunst in
spe, verbeugt sich überrascht und tönt): Einen wunderschönen guten Tag!
Sybille: Sie
wünschen?
Rudolf: Bernhardi
mein Name. Rudolf Bernhardi. Sie entschuldigen, ist Tina zu Hause?
Sybille: Sie muss
jeden Moment kommen!
Rudolf: Oh, dann
habe ich ja vielleicht doch noch Glück!
Sybille: Wollen Sie
warten?
Rudolf: Ginge das?
Sybille: Kein
Problem! Treten Sie ein! (weist ihn in
Richtung ihres Zimmers)
Rudolf: Ich möchte
aber nicht stören!
Sybille: Kein
Problem! Bin allein!
Rudolf: Darf ich
dann Ihnen die kleine Aufmerksamkeit überreichen?
Sybille: Sind die
nicht für Tina?
Rudolf: Ja, ja,
eigentlich schon, aber wie die Lage überraschend ist. Sie sehen,
Entschuldigung, Sie sehen hinreißend aus. (mit
eindeutiger Geste größten Wohlwollens überreicht er ihr die Blumen)
Sybille (ergriffen): Oh! Danke! Vielen Dank! (nimmt die Blumen, deutet wieder in Richtung
ihres Zimmers und geht los)
Rudolf (folgt ihr, schaut sich im Zimmer kurz um und
bleibt erwartungsvoll stehen)
Sybille: Bitte! (zeigt auf einen Sessel)
Rudolf: Danke! (nimmt Platz, schaut sich wieder um und dann
fast unverblümt auf Sybille) Haben wir uns schon gesehen?
Sybille: Irgendwie
mal ganz kurz, glaube ich! (räumt die
Reste des Frühstücks aufs Tablett)
Rudolf: Das war ein
Fehler!
Sybille: Dass wir uns
gesehen haben?
Rudolf: Dass das nur
ganz kurz war!
Sybille: Lässt sich
nachholen! Moment bitte! (eilt mit dem
Tablett in die Küche, kommt sofort zurück)
Rudolf: Sie sind
also die junge Frau, mit der Tina zusammen lebt!
Sybille: Sie müssen
das nicht so wörtlich nehmen! Wir sind keine Lesben!“ (verhüllt die Unordnung der Nacht auf ihrer Couch mit großem
Überzug)
Rudolf: Weiß ich,
weiß ich doch! Ich wundere mich nur, dass Sie mir nie über den Weg gelaufen
sind. Immerhin habe ich Tina gelegentlich besucht. Ist ja kein Geheimnis.
Sybille: Da haben
wir beide uns schon immer amüsiert! (setzt
sich wieder in ihren Sessel)
Rudolf: Wie das
denn?
Sybille: Dass ich
einfach keine Chance hatte, Sie kennen zu lernen! Wenn Sie abends gekommen
sind, war ich noch Arbeiten, und wenn Sie morgens gegangen sind, habe ich noch
geschlafen!
Rudolf: Aha, eine
Nachtarbeiterin! Respekt! Und wo? Wenn man fragen darf. Entschuldigung, ich
will nicht indiskret sein.
Sybille: In einer
Bar.
Rudolf: Dann
allerdings, da geht’s bis tief in die Nacht!
Sybille: So ist es!
Sie wissen Bescheid.
Rudolf: Lernt man
diesen und jenen kennen, nicht?“
Sybille: Genau! Und
wenn ich mir einen Lover mitbringe, schmeiß ich ihn raus danach! Kann keine
Schmuserei leiden zum Frühstück! Damit Sie auch das wissen! Bei der
Gelegenheit.
Rudolf: Frau mit
Grundsätzen! Meine Hochachtung!
Sybille: Darf ich
Ihnen einen Kaffee anbieten?
Rudolf: Gern! Wenn
Sie das nicht als Frühstück abbuchen!
Sybille: Überleg ich
mir noch! Moment bitte! (eilt in die
Küche, kommt sofort zurück und
serviert eine Tasse Kaffee) Bitte! (setzt
sich wieder)
Rudolf: Danke!
(greift zum Löffel und rührt routinemäßig um, schaut auf die Uhr) Wie lange
kann das noch dauern mit Tina?
Sybille: Manchmal
verspätet sie sich.
Rudolf: Ja, das
kenn ich!
Sybille: Dass sie
inzwischen verheiratet ist, wissen Sie?
Rudolf: Ich weiß,
ich weiß! Bin ja ganz von die Socken!
Sybille: Ja,
irgendein Rappel. Ich war auf Urlaub, und als ich zurückkam, war es passiert.
Rudolf: Ah, eh
ich‘s vergesse, (nimmt eine Zeitschrift
aus der Jacketttasche) Tinas Magazin! Kennen Sie schon das neue?
Sybille: Nee!
Rudolf: Da schreibt
eine Annerose Sachen, die könnten von ihr stammen. Wollt ich sie fragen, ob sie
neuerdings für die Ehe-Kolumne zuständig ist.
Sybille: Ist sie!
Weiß ich!
Rudolf: Seite
zwölf. Sie gibt Ratschläge, wie man einen Single zum Ehemann programmiert. (legt das Magazin mit einer Geste auf den
Tisch, als bitte er, das Papier zu entsorgen)
Sybille: Na toll!
Rudolf: Scheint
nicht so zu laufen, wie sie sich das gedacht hat.
Sybille:
Stimmt!
Rudolf: Kann
unsereiner also noch hoffen.
Sybille: Ja, ja, der
erste Sturm ist schon vorbei.
Rudolf: Und wie ist
das mit Ihnen?
Sybille: Nicht
geeignet für die Ehe!
Rudolf: Hat Tina
auch immer gesagt!
Sybille: Ich bin da
konsequent.
Rudolf: Und wo kann
man Sie tanzen sehen?
Sybille: Im ‚Eden‘!
Rudolf: Ah, ist mir
schon oft empfohlen worden. Da also! Komme ich vorbei demnächst!
Sybille: So ab elf
bin ich dran!
Rudolf: Danke, merk
ich mir! (schaut auf die Uhr) Ja!
Scheint nicht zu kommen! (schaut noch
einmal auf die Uhr) Was machen wir jetzt? (nimmt die Tasse Kaffee, trinkt)
Sybille (greift sich das Magazin, erhebt sich):
Die Gelegenheit kommt nie wieder! Sie sind ein erfahrener Schauspieler, Sie
müssen mir jetzt sagen, ob ich talentiert bin! (blättert im Magazin, tut so, als wolle sie sich vor der Couch
postieren, um ihm etwas vorzutragen, lässt sich aber darauf fallen und meint
enttäuscht) Entschuldigung! Jetzt bin ich doch zu feige!
Rudolf (perplex): Junge Frau! Sie müssen sich
nicht entschuldigen! Sie machen mich verlegen, für Casting bin ich nicht
zuständig. Aber nicht schlecht gespielt! Wirklich nicht schlecht. Sie scheinen
nicht nur eine gute Tänzerin zu sein! Jedenfalls sind Sie ganz gewiss keine
kleine Anfängerin. Aber wie das mit einer Rolle wäre? Müsste ich mir anschauen.
Sie verstehen!
Sybille: Verstehe! (setzt sich ganz selbstverständlich wieder
in ihren Sessel)
Rudolf: Scheint
leider nicht zu klappen mit Tina.
Sybille: Ja, leider!
Rudolf: Ja dann, (erhebt sich) danke für den Kaffee und
die nette Gesellschaft!
Sybille (erhebt sich): Bitte, bitte, gern geschehen!
Rudolf: Hatte ich
mich eigentlich vorgestellt?
Sybille: Doch, doch!
Mister Bernhardi!
Rudolf: Und Sie,
Sie sind Sybille!
Sybille: So
ungefähr!
Rudolf: Nein?
Sybille: Doch, doch!
Rudolf: Ja dann,
bis demnächst! (geht zum Flur, dreht sich
um, schaut Sybille intensiv an) Ich muss Sie unbedingt sehen!
Sybille: Danke!
Rudolf: Und Gruß an
Tina!
Sybille: Gerne!
Rudolf: Und Sie
werden mich wiedererkennen?
Sybille: Ich werde…
nur für Sie tanzen!
Rudolf: Sie sind
jetzt schon eingeladen zu einem Trink! (wendet
sich ab, dreht sich in der Wohnungstür noch einmal um) Bitte den Gruß an
Tina nicht vergessen. Auf Wiedersehen!
Sybille:
Selbstverständlich! Auf Wiedersehen! (schließt
die Wohnungstür)
Harald (eilt herbei und schlüpft hurtig unter die
Couchdecke)
Sybille (folgt ihm stumm, postiert sich vor ihm und
schaut versonnen auf ihn herab, dann so verächtlich wie anerkennend): Ihr
Männer! Ihr Männer!
Harald: Hast ihn
scharf gemacht?
Sybille: Hast
gelauscht?
Harald: Nicht ein
Wort!
Sybille (lässt sich unschlüssig erst einmal in einem
Sessel nieder): Komisch! Komisch!
Harald: Komisch?
Was ist komisch?
Sybille (zaudert, lügt): Wenn ich weiß, dass du
nebenan bist, habe ich Ladehemmung! Kannst dir was drauf einbilden!
Harald: Danke!
Sybille (grüblerisch): Kenn ich gar nicht bei
mir! (müde) Mach Platz! (hockt sich neben ihn) Sieht nicht übel
aus, dieser Schauspieler!
Harald: Hier ist
auch Bedarf!
Sybille: Könnt ich
glatt vernaschen!
Harald: Komm schon!
Sybille (greift sich das Magazin): Hier! Die
neue ‚Minna‘! Tina plaudert fleißig!
Harald: Ist das
jetzt wichtig?
Sybille (posiert ungeniert): Für mich schon!
Warte! Seite zwölf! (blättert
demonstrativ und zeigt Po) Aha! Schau, schau! Single als Ehemann! Gute
Überschrift. Es geht um dich! Hör zu!
Harald: Muss das
sein jetzt?
Sybille: Es hebt die
Stimmung! Einen Ehemann bumsen, der in der Zeitung steht!
Harald: Oh Gott! (schaut unter die Decke) Das haut ihn
um!
Sybille: Keine
Sorge, den hol ich mir! Hör zu! Was Nettes: ‚Bereits am ersten Morgen nach der
Hochzeitsnacht sollten Sie beginnen, ihren gewesenen Single behutsam zu
erziehen! Das beginnt schon mit dem Kaffeekochen!‘
Harald (brüllt): Nein!
Sybille (fröhlich): Ist das nicht herrlich?
Harald: Die kriegt
was zu hören!
Sybille (jubelt): Jetzt der! (huscht unter die Decke)
- Vorhang -
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