www.neue-theaterstuecke.de
Lustspiel von Gerhard A. Ebert
3. Aufzug
Heller Sommertag. Helga hantiert mit
einem Bund Schlüssel am Schrank herum, schafft es nicht zu öffnen, stöhnt
verärgert.
Peter kommt aus dem Garten: Was Besonderes?
Helga ereifert sich: Jetzt ist da
auch noch ein Kerl im Spiel!
Peter: In welchem Spiel?
Helga hantiert wieder am Schrank: Bei der Kuppelei zwischen deinem
Vater und diesem jungen Ding!
Peter: Was ist los?
Helga: Ein Skandal! probiert verschiedene
Schlüssel Weißt du, weshalb dein Vater unterwegs ist?
Peter: Keine Ahnung.
Helga: Für seine Konkubine einkaufen,
dieser Wüstling!
Peter: Und was hat der Schrank damit zu
tun?
Helga: Ich will wissen, was diese Göre
vorige Woche gebracht hat!
Peter: Turnschuhe, denk ich.
Helga: Hast du die schon gesehen bei ihm?
Ich nicht. Der rennt immer noch in den alten herum. Für mich ist ihm nie
eingefallen, Frühsport zu treiben. Aber für so’n
jungen Betthüpfer!
Peter: Weißt du’s genau?
Draußen fährt ein Auto vor, eine Tür
schlägt zu.
Helga entfernt sich prompt von dem
Schrank: Ich wird’s
erfahren, darauf kannst du Gift nehmen!
Paul kommt fidel mit praller Aktentasche
und zwei großen Paketen, eingepackten Bildern: Tag, Familie! Ah, hätte nie
gedacht, dass Kunst so schwer ist! stellt ab
Helga: Ich werde also überhaupt nicht mehr
gefragt neuerdings!?
Paul: Ist doch eine Überraschung, Mädel! lacht
vergnügt Macht Spaß! Schöne Sachen gibt’s! Kunst ist was für’s Herz! Hat schon lange gefehlt hier drin! Jetzt mal hergucken! Alle Mann! wickelt das erste Bild aus,
triumphierend Die „Olympia“! Von schaut auf die Rückseite Manet! Na,
ist das was?
Helga giftig: Eine Nackte!
Paul fidel: Klasse, nicht? zeigt an die
leere Stelle an der Wand Kommt hier ran! bewundert wieder das
Bild Wie die so liegt! Dieser Blick! Phantastisch! Und so weiter und so
fort!
Helga konsterniert, holt tief Atem: Paul!
Paul: Und das für’s
Schlafzimmer! wickelt das zweite Paket aus Von August Renier oder so ungefähr. Der hat vielleicht Sachen gemalt!
Eine Wucht! Ich hab da wirklich etwas verpasst! Wir müssen uns mehr um die
Kunst kümmern! Hier: „Nach dem Bade“! schaut hinten nach, buchstabiert
Von Auguste Renoir! Dufte, nicht!?
Helga: Dufte? Das nennst du dufte?
Paul: Was hast du denn?
Helga: In mein Schlafzimmer? Nie!
Paul: Aber das ist Kunst!
Helga: Darauf pfeif ich!
Paul vorwurfsvoll: Helga!
Helga: Nackte Weiber!
Paul: Einen nackten Mann habe ich nicht
gefunden. Nichts im Angebot!
Helga: Mir reichst du!
Peter hat indessen die Bilder betrachtet,
trocken: Knusprig,
die Damen!
Helga: Diese Weiber kommen nicht in mein
Haus!
Peter: Wenn du Schwierigkeiten hast, Papa,
die beiden Schönen nehme ich dir ab.
Paul: So siehst du aus! will mit den
Bildern ins Schlafzimmer
Helga: Paul!
Paul verharrt: Schnucki?
Helga: Schaff mir die Bilder vom Hals!
Paul: Aber Herz! Schau, wenn wir Besuch
bekommen, das macht doch gleich was anderes her! Ein Manet an der Wand oder so
einen Renoir! Ist doch keine Konkurrenz für dich, die Pappe!
Helga: Und das Weib?
Paul: Welches Weib?
Helga: Mit dem du Besprechungen
veranstaltest, hier in unserem Hause! Ist die vielleicht auch aus Pappe?
Paul: Nicht was du denkst!
Helga: Und wo sind die Sportschuhe, die
sie mitgebracht hat? Und meine Gardine? Was ist damit?
Paul: Ist es mir vielleicht nicht gestattet, Werbung zu
machen?
Helga: Mit meiner Gardine?
Paul: Für unsere Gruppe!
Helga: Für die Gruppe, so, so! Deswegen
ist da auch noch ein Mann im Spiel! Glaub nicht, dass ich da mitmache!
Paul: So kann nur ein Mensch reden, der
überhaupt keinen Sinn hat für Freizeit!
Helga: Bumsen in der Gruppe, mit mir
nicht!
Paul: Rudern!! Rudern in der Gruppe! Zum
Beispiel! Was glaubst du, was es so alles für Hobbies gibt!
Helga: Ach so, rudern heißt das!
Paul: Oder angeln! Obwohl, beim Angeln,
also beim Angeln kann man nicht unbedingt sagen, dass das körperbildend ist!
Aber die Nerven! Balsam für die Nerven ist das Angeln!
Helga trocken: Bei den Anglern bist du also nicht!
Paul: Mit dir kann man ja nicht
vernünftig reden! will ins Schlafzimmer türmen, besinnt sich, eilt mit den
Bildern unterm Arm die Treppe hoch
Helga scharf: Peter, was steckt dahinter?
Gruppensex?
Peter: Was ist das denn?
Helga: Junge, sag mir die Wahrheit!
Peter: So viel ich weiß plant Pa eine große Sache. Eine neue Geschäftsidee, weißt du! Da
ist er ja immer so bisschen meschugge!
Helga skeptisch: Und ich darf’s nicht wissen?
Peter: Er spielt Indianer!
Helga: Was für Zeug?
Peter: Wenn er in die Geheimnisse der
Schwarzfüße eingedrungen ist, will er seine Belegschaft zu Rothäuten machen!
Helga: Das ist ja kriminell!
Peter: Am besten du ertappst ihn auf
frischer Tat! Ganz zufällig. Dann hast du Beweise. Hast du welche?
Helga: Woher?
Peter: Siehst du! Du musst erst einmal
Beweise haben!. Ganz einfach. Du tust so, als gingst
du heute wie jeden Mittwoch zum Kränzchen, in Wirklichkeit bleibst du in der
Nähe und kommst dazu, wenn sein Häuptling hier ist!
Helga: Sein Häuptling?
Peter: Er hat ihn herbestellt und will
sich „begutachten“ lassen.
Helga: Ich verstehe überhaupt nichts mehr.
Peter: Von mir kein Wort! Klar?!
Helga: Und was hat er mit diesem jungen
Ding?
Peter eifersüchtig: Wenn ich das wüsste!
Helga grollend: Na warte! identifiziert sich mit
Peters Vorschlag Ich soll plötzlich dazu kommen, wenn dieser Häuptling hier
ist?
Peter: Häuptling „Großer Bär“!
Helga: Wie heißt der?
Peter: „Großer Bär“!
Helga ruft unvermittelt entschlossen: Paul!
Peter ärgerlich: So doch nicht!
Helga: Soll ich vielleicht warten, bis ich
auch eine Rothaut bin? Paul!
Peter: Ich weiß von nichts! eilig ab
Paul kommt die Treppe herab: Bist noch nicht weg?
Helga: Paul, also was ich da höre... so
geht das nicht!
Paul scharf: Was hörst du?
Helga: Na, das mit dem... korrigiert
sich eh, ich wollte nur sagen, ich gehe jetzt! ab ins Schlafzimmer
Paul erfreut: Na prima! will wieder abgehen
Helga aus dem Schlafzimmer: Es könnte heute länger dauern.
Paul: Macht nicht’s!
will abgehen
Helga: Du wirst schon mal allein
zurechtkommen mit dem Abendbrot.
Paul erwartungsvoll: So lange willst du bleiben?
Helga: Vielleicht fahre ich auch noch zu
Mutter.
Paul stutzt: Ist was?
Helga kommt in adrettem Kleid aus dem
Schlafzimmer: Keine
Sorge, Dicker! im Abgehen Kannst du ja inzwischen schlafen gehen! Tschüß! ab
Paul erstaunt: Uff! gewinnt das Gleichgewicht wieder Uff!
Sturmfreie Bude! reibt sich vergnügt die Hände, holt aus dem Schrank
einen großen Bogen und Pfeile sowie weitere Utensilien Werden wir dem Herrn
Häuptling mal zeigen, was so ein richtiger Vollblutindianer ist! fingert mit
einer Kordel Jetzt bin ich aber gespannt! will das Lendentuch anlegen,
schließt vorsorglich die Verandatür, nimmt wieder das Lendentuch, die präparierte
Gardine, probiert Sparsame Leute, die Rothäute! beschaut sich
kritisch im Spiegel, unzufrieden Ah, kompliziert! Flurklingel
Moment! bringt die Utensilien aus dem Schrank flugs ins Schlafzimmer, eilt
zu öffnen, im Flur, enttäuscht Sie?
Ursel noch draußen, freundlich: Guten Tag, Herr Penneberg.
Paul: Tag, Tag! tritt mit Ursel
ein, unschlüssig: Ja, nett, sehr nett, dass Sie - aber
ich hatte heute wirklich mit dem Häuptling gerechnet - warum kommt er nicht?
Ursel: Er muss sich entschuldigen. Schickt
mich, seine rechte Hand.
Paul verdrießlich: Schön, schön, kann ja passieren.
Aber langsam werde ich ungeduldig.
Ursel unsicher: Er lässt Sie
grüßen!
Paul ungehalten: Es ist blöd! Wirklich blöd!
Entschuldigung! Die Geschäfte laufen nicht, und mit euch komme ich nicht vom
Fleck.
Ursel: Tut mir wirklich leid, Herr Penneberg.
Paul lenkt ein: Sie sind seine rechte Hand?
Ursel: So ungefähr!
Paul entschlossen: Gut! Begutachten Sie die Schose!
Sagen Sie Ihrem Boss, so einen exzellenten Probeindianer habe er überhaupt noch
nicht gesehen! Moment! Gleich können Sie mich besichtigen! ab ins
Schlafzimmer
Ursel ruft hinterher: Sie haben schon alles beisammen?
Paul: Bis auf den Skalp bin ich komplett!
Ursel schaut sich um: Wär schön, wenn Ihr Sohn auch
mitmachen würde!
Paul: Der? Völlig amusisch! Dabei will er
Schauspieler werden. Hungerleider! Könnt die Bäckerei übernehmen, der Dussel!
Ursel: Soll ich mit ihm reden?
Paul: Zwecklos! Hat im Moment eine
Hübsche im Kopf. Sie wissen schon, sind ja auch in dem Alter. So! Bin fertig!
Umdrehen bitte!
Ursel schaut in den Garten: Sie machen es aber spannend.
Paul tritt aus dem Schlafzimmer, bunt
bemalt Gesicht und Brust, bis auf Lendentuch und Mokassins nackt, wilde
Kunsthaarmähne, bunter Kinder-Federschmuck, Bogen und Pfeile, Messer, in der
rechten Hand wild hochgereckt ein Kinder-Tomahawk; kurz, das gottvolle
Abziehbild eines wüsten Faschings-Indianers, postiert sich stolz: So! Jetzt gucken!
Ursel dreht sich arglos um, entsetzt: Je!! Wie sehen Sie denn aus?
Paul dreht sich wie ein Pfau: Eine Wucht, was!?
Ursel muss sich setzen, ratlos: Aber Herr Penneberg!
Paul stolz: Alles Eigenbau!
Ursel freundlich: Aber so geht das doch nicht! Das
muss originalgetreu sein alles!
Paul: Originalgetreu?
Ursel: Bis auf die Mokassins ist alles
Plunder!
Paul: Plunder?
Ursel: Kultur ist doch kein Rummel! Auch
nicht die indianische!
Paul geknickt: Und ich habe mir solche Mühe
gegeben.
Ursel: Das will ich gern glauben.
Paul postiert sich noch einmal in ganzer
Größe, will das Schicksal zwingen, emphatisch: Bin ich nicht ein herrlicher wilder
Mann?
Helga tritt zur Verandatür herein: Aaah!!
Paul starrt gebannt auf seine Frau:
Du?
Helga hebt die Hände beschwörend wie vor
einem Spuk: Das
darf nicht wahr sein!
Paul stöhnt: Oh Manitou!!
Ursel sehr verlegen: Entschuldigung, ich...
Helga bemerkt nun erst Ursel: Sie?? Schweinerei! eilt ins
Schlafzimmer, schlägt die Tür zu, schließt ab. Paul und Ursel
sehen sich betreten an
Paul kleinlaut: Helga! Helgalein! Schnuckimaus! Hörst du mich? Das ist ein Missverständnis!
Ursel zaghaft: Vielleicht sollte ich besser gehen?
Paul: Sie bleiben! Bitte!
Ursel unsicher: Bitte!
Paul rafft sich auf: Helga, du hast ein völlig falsches
Bild bekommen! Verstehst du? Ich bin nicht so wild, wie ich aussehe. Wir sind
gelehrte Indianer! Klar? Die damals, die Rothäute, die konnten das doch nicht
wissen. Die waren Indianer, wie sie Lust hatten. Damals. Aber heute wissen wir,
wie so ein richtiger Indianer sein muss! Hörst du? tritt zur Tür Jetzt
werde ich aber böse! Ernsthaft. Ich verlange, dass du die Tür öffnest! klopft
Dein Benehmen ist unter aller Kritik. wirft sich in die Brust Ich will mich
aussprechen! Gründlich und offen. Was machst du? Du entziehst dich dem Dialog. zu
Ursel Wie finden Sie das? Da lebt man zwanzig Jahre mit ein und derselben
Frau, hat ihr mühselig klar gemacht, wer der Herr im Hause ist, und auf einmal
will sie nicht mehr mitbestimmen. Helga! Ist dir denn nicht klar, wie du mich
hintergangen hast? Schamlos! Du erklärst, du kommst erst in der Nacht nach
Hause! In der Nacht! Plötzlich stehst du herum! Überhaupt nicht angemeldet! Da
muss einem ja die Lust vergehen! zu Ursel Stimmt’s?
Ursel: Sie hätten kein Geheimnis daraus
machen dürfen.
Paul in Rage: Ach was! Der Häuptling muss her!
Ursel unsicher: Der Häuptling?
Paul: Und zwar sofort! Wenn er jetzt
nicht kommt, kann er bleiben, wo der Pfeffer wächst! zieht Bademantel über
Gründ ich meinen eigenen Verein! Rufen Sie ihn an!
Hier! drückt ihr ein Handy in die Hand In kompletter Ausrüstung soll er
kommen! Hören Sie! Sonst überzeugt das nicht.
Peter tritt zur Verandatür herein: He! Schönen Tag noch!
Paul: Du kommst auch schon?
Peter: Wie siehst du denn aus?
Paul braust auf: Hast deinen Vater noch nicht
gesehen?
Peter: Sie sind mein Vater?
Paul: Ich werde dich gleich übers Knie
legen!
Peter: Verlier mal nicht den Bademantel.
Paul zieht den Mantel enger: Was soll das heißen?
Peter: Das möchte ich auch gern wissen.
Ursel fummelt in der Erregung vergebens
mit dem Handy: Ihr
Vater ist Probeindianer!
Peter: So’n
Popanz?
Paul drohend: Spiel hier nicht den Ahnungslosen!
Peter schaut sich um: Was sagt Mutter dazu?
Paul deutet zur Tür: Eingeschnappt!
Peter: Lässt sich denken.
Paul: Kannst du nicht mal mit ihr reden?
Peter: Worüber?
Paul: Dass alles ganz harmlos ist!
Peter: Wirklich?
Paul mit Geste, als wolle er seinem Sohn
eine kleben:
Beleidige mir nicht die junge Frau hier!
Peter borstig: Schon gut! hockt sich verdrossen
auf die Couch, schweigt ostentativ
Paul ungehalten zu Ursel: Na, was ist?
Ursel: Ich komme nicht klar!
Paul zu Peter: Hilf ihr! ab
Peter: Keine Ahnung, wie?
Ursel: Wenn du mir jetzt nicht hilfst, ist
alles aus!
Peter zuckt abfällig die Schultern: Wo hängt’s
denn?
Ursel: Warum habe ich denn das alles gemacht , du Dussel! Um dich zu sehen! Ich lauf dir nach,
ich dumme Ziege. Das passiert mir nicht noch einmal! legt das Handy ab, eilt
hinaus
Peter He! mit Schwung hinterher
- Vorhang -