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Der Weltknoten

Commedia dell’arte

 

 

 

 

1.Aufzug

 

Bühne der Commedia dell’arte. Helles Licht. Großes Bett, üppig. Tisch und zwei Sessel. In der Mitte vorn eine Falltür. Rechts hinten eine Tür. Links daneben eine Ahnengalerie: Pantalone I. bis Pantalone IV. An der linken Seite vorn wird ein Fenster angenommen.

 

 

1. Szene

 

Pantalone V. (rüstiger Greis, Halbmaske, eng anliegende Beinkleider, rotes Wams, schwarzer Ärmelmantel, langer, spitzer Bart, fahle Gesichtsfarbe, macht Freiübungen, streckt sich, richtet sich zufrieden auf, tritt ans Fenster, schaut hinaus, hebt resignierend die Schultern, geht zum Bett, zieht darunter eine kleine Trittleiter hervor, geht zum Fenster, steigt auf die Leiter, schaut, stellt sich auf die Fußspitzen, schaut, resigniert, steigt schnell von der Leiter, holt ein Fernglas unter dem Bett hervor, steigt die Leiter hinauf, schaut durchs Glas, optimistisch): Beginn! Ewiger Beginn! (schaut durch das Fernglas) Heut hol ich mir eine! (schaut durch das Fernglas) Heut lass ich mir eine holen! (steigt von der Leiter, schiebt sie unters Bett) Eine kommt immer! (ruft) Dottore! (legt das Fernglas ab, greift nach seinem Stock) Dottore!

Dottore (schwarze Kleidung, weiße Halskrause, großer schwarzer Hut, Halbmaske, Nase merklich gerötet, tritt unlustig auf): Bitte?

Pantalone: Wenn ich Sie sehe, vergeht mir alle Lust.

Dottore: Ja, ja, der Herbst!

Pantalone: Goldener Herbst! Goldener Herbst! Aber immer diese depressiven Stimmungen. Eben war ich froh, richtig fröhlich. Sehe ich Sie, schon wieder Depressionen. Lässt sich das nicht ändern?

Dottore: Wenn Sie mich fragen...

Pantalone: Keine Litanei!

Dottore: Wenn Sie mich fragen, sage ich Ihnen, Geduld! Gegen depressive Stimmungen wirken ein bis zwei Tassen Tee aus Johanneskraut pro Tag. Hierzu wird pro Tasse ein Teelöffel Kraut mit kochendem Wasser überbrüht. Nach zehn Minuten wird der Tee abgeseiht und kann getrunken werden. Die Wirkung tritt etwa nach zwei Wochen ein. Außerdem sorgen ausgiebige Spaziergänge für gute Laune. Allerdings sollte zu intensive Sonneneinstrahlung während einer Kur mit Johanneskraut vermieden werden, da Hautrötungen auftreten können. Gut für die Stimmung ist auch eine Kost mit viel Kohlehydraten. Daher sollten jetzt Gerichte mit Getreide, Gemüse und Obst bevorzugt werden. Essen Sie also häufig Müsli, Nudeln mit Gemüse, Reisgerichte, leckere Brote und Obst nach ihrem Geschmack. (holt einen Flachmann hervor, nimmt einen Schluck)

Pantalone: Alles klar! Ich brauch was Frisches. Nicht über zwanzig.

Dottore: Wie Sie wünschen. (will ab)

Pantalone: Warten Sie! (winkt ihn näher) Sollte ich vielleicht... irgendwie... heiraten?

Dottore: In Ihrem Alter?

Pantalone: Nicht die beste Empfehlung, wie?

Dottore: Wenn Sie mich...

Pantalone (winkt ab): So was Frisches immer wieder ist zwar lustig, aber anstrengend. Und danach sind sie weg, die Flittchen. Kein Herz. Nichts für die Seele. Na sagen Sie schon. Was raten Sie einem Witwer?

Dottore: Eindeutig ja! Aber es gibt ein chinesisches Sprichwort, das heißt: Wenn Du eilig bist, gehe einen Umweg. Das gilt ganz besonders für die Liebe. (Pantalone winkt ab, aber Dottore lässt sich nicht unterbrechen) Mit Ihrer Frau, Gott hab sie selig, sind Sie gemeinsam alt geworden. Sie war in Ihren Augen sicherlich auch in reifen Jahren noch für Sie attraktiv. Warum soll das nicht jetzt mit einem anderen Menschen auch möglich sein? Und was stört Sie, was andere über Sie denken! Hauptsache, Sie fühlen sich wohl!

Pantalone: Attraktiv, Dottore, attraktiv! Das ist es!

Dottore: Verstehe! (will ab)

Pantalone: Türkischen Mokka, Kognak, Löffelbiskuits und Pralinen!

Dottore: Ja ja. (tritt ab)

Pantalone (nachrufend) Etwas Elementares!

 

 

 

2.Szene

 

(Leises Rumoren im Untergrund)

Pantalone (stutzt, lauscht, beruhigt sich): Jung muss sie sein! Taufrisch! Johanneskraut! Tj! (zu den Ahnen) Schaut mich nicht so vorwurfsvoll an! Ein Erbe hat noch Zeit. Den schaff ich allemal. Das muss reine Rasse sein! Versteht sich! Gutes Blut! Keine x-beliebige Strandnixe! Ach, ich stehe auf Nixen! Wenn's gleich so richtig funkt! (leises Rumoren im Untergrund; Pantalone erstarrt, kniet nieder, hält das Ohr neugierig an den Boden, richtet sich auf) Dottore!

Dottore (schaut ungehalten herein) Hexen kann ich nicht!

Pantalone: Haben wir Handwerker im Haus?

Dottore: Nicht dass ich wüsste!

Pantalone: Wir sind allein?

Dottore: Ich hol ja schon eine! Aber wenn Sie mich aufhalten, dauert das eben.

Pantalone: Beeilen Sie sich. (Dottore ab) Keine Handwerker. Aber Lärm. Da unten. (entdeckt die Falltür) Was ist das denn? (untersucht sie, klappt sie etwas hoch, schaut angelegentlich nach unten, schüttelt den Kopf, klappt sie zu, erhebt sich müde, schaut nochmals zur Falltür, wendet sich kopfschüttelnd ab)

Dottore (tritt auf, sehr steife Haltung, auf einem Tablett Papiere bringend): Die Geschäfte, der Herr.

Pantalone: Geschäfte. Geschäfte. Da unten rumort es.

Dottore: Wo?

Pantalone: Im Keller, Mann! Schauen Sie nach!

Dottore: Verzeihung, wir verfügen über keinen Keller.

Pantalone: Da ist die Tür.

Dottore: Seit wann?

Pantalone: Seit... (schaut) War da keine?

Dottore: Wir haben keinen Keller.

Pantalone: Ich habe doch eben runtergeschaut!

Dottore: Wahrscheinlich eine subkonsziente Erscheinung!

Pantalone: Eine was?

Dottore: Eine Annahme Ihres Unterbewusstseins.

Pantalone: Meines...? Ist da eine Tür oder nicht?

Dottore: Von hier aus gesehen...

Pantalone: Jetzt ist es still.

Dottore: Es ist immer still! Irgendwie!

Pantalone: Ach nee!

Dottore: Ich bemühe mich redlich! (stellt das Tablett auf den Tisch) Und im übrigen, wenn ich das an dieser Stelle einmal bemerken dürfte, ich bin Arzt, und, im besten Sinne, Gelehrter des Rechts sowie übriger Wissenschaften. Aber ein Lakai, ein Lakai bin ich nicht! (nimmt einen Schluck aus dem Flachmann)

Pantalone: Bin ich ein Massa?

Dottore: Man könnte Sie für einen gebildeten Menschen halten.

Pantalone: Ja, ja, schon gut. (wischt sich Schweiß von der Stirn, zeigt aufs Tablett) Wie immer?

Dottore: Steigend.

Pantalone: Gut, gut! Die Kanonen?

Dottore: Noch besser.

Pantalone: Der Dax?

Dottore: Stabil!

Pantalone: Na also. (zeigt) Was ist mit der Tür?

Dottore: Dazu bin ich, ich wiederhole... (nimmt das Tablett wieder auf)

Pantalone (unterbricht ihn barsch): Tragen Sie auf!

Dottore: Sehr wohl! (ab)

Pantalone: Der Herr glaubt, ich werfe ihm mein Geld umsonst in den Rachen. (besinnt sich, geht zum Fenster, schaut hinaus) Natur! Ohne Zaster geht's nicht mehr. Früher! Ja früher! Da waren die Weiber bereit. Wie hab ich mich ergötzt. Heute tun sie's nicht mehr freiwillig. Heute wollen sie lumpiges Papier. (lacht hämisch) Aber,  man kann sich daran festhalten. (richtet sich am Stock auf, Lachen im Untergrund, irritiert, kniet neugierig nieder, hält das Ohr an den Boden, lauscht, hebt die Falltür leicht an, schaut nach unten, erkennt nichts, klappt die Tür zu, erhebt sich müde, schaut nochmals zur Falltür) Dottore!

Dottore (tritt ein): Bitte sehr.

Pantalone: Da unten lacht einer.

Dottore: Was neu ist lacht, was alt ist kracht!

Pantalone: Mensch, Ihre faulen Witze! Da unten lacht jemand!

Dottore: Es gibt kein unten!

Pantalone: So? Ich habe geschaut. Nach unten. Durch ein Loch im Fußboden. Was sagen Sie dazu?

Dottore: An sich, seit ich in Ihren Diensten bin, führt kein Weg mehr nach unten!

Pantalone (winkt ab): Schon gut. Denken Sie an meine Erfrischung.

Dottore: Sehr wohl. (steif ab)

(hämisches Gelächter im Untergrund)

Pantalone (zuckt zusammen, öffnet die Falltür, schreit nach unten): Ruhe! (schlägt die Tür zu) Nicht einmal mehr in den eigenen vier Wänden hat man seine Ruhe.

(Gelächter von unten)

Dottore (rollt Servierwagen herein, nebenbei): Das ist der Ost. Der fegt ums Haus. (deckt den Tisch)

Pantalone: Da muss etwas geschehen!

Dottore: Kann auch der West sein.

Pantalone: Ost! West! Da unten steckt einer! Wer kann das sein?

Dottore: Wenn Sie mich fragen, dann sage ich...

Pantalone (hält sich die Ohren zu): Keine Litanei!

Dottore: Sehr wohl. (will ab)

Pantalone: Na und? Nichts Reifes, Rundes?

Dottore: Bedaure, alle in der Sonne.

Pantalone: Lassen sich braun brennen, die Ferkel. (tritt zum Fenster) Diese Düne! Versperrt mir die Sicht. Wenn ich sie nackt sehen will, muss ich auf die Leiter.

Dottore (will geflissentlich die Leiter holen)

Pantalone: Nicht glotzen! Heute brauch ich eine! (sieht unwillkürlich zur Falltür) Wie mich das stört. Seit wann ist da ein Loch?

Dottore: Wenn ich das wüsste. Bin total überlastet. Immer diese Weiber herbeischleppen... (zeigt nickend zur Tür) Da ist eine!

Pantalone: Herein mit ihr!

Dottore: Sie will nicht.

Pantalone: Nicht?

Dottore: Risiko, sagt sie.

Pantalone: Was für ein Risiko?

Dottore: Es gärt im Untergrund.

Pantalone: Wer sagt das?

Dottore: Alle sagen das.

Pantalone: Ist denn die ganze Welt verrückt? Verstehe! (zeigt) Der Untergrund! (Pantalone I. fällt von der Wand) Was ist denn los? Habt ihr Schiss? Aufhängen!

Dottore (bemüht sich, das Bild fällt erneut herunter): Kein Nagel. Entschuldigung! (schnell mit Servierwagen ab.)

Pantalone: Ich, Pantalone V., schicke mich an zu beginnen, da fehlt's am Nagel! So ein lächerliches Ding wird doch aufzutreiben sein. (stößt mit seinem Stock auf die Falltür) Und was geschieht hier? Hinter meinem Rücken? Unter meinen Füßen?

 

 

 

3.Szene

 

Maxi (üppiges junges Weib, langer Bademantel, Zigarette, tritt auf, verwundert in der Tür) Sie schreien ja so.

Pantalone: Hallo, Kind!

Maxi: Bin nicht Ihr Kind.

Pantalone: Sei hier nicht aufsässig!

Maxi (noch immer in der Tür): Eine Laune!

Pantalone: Bist hier im Paradies.

Maxi: Hab ich mir anders vorgestellt.

Pantalone: Die Wirklichkeit ist immer reicher als die Vorstellung.

Maxi: (tritt näher, zeigt auf die leere Stelle an der Wand) Marode, wie?

Pantalone: Fehlt ein Nagel.

Maxi: Ich dachte ein Bild.

Pantalone: Ein ordinärer Nagel! Das kann doch mal vorkommen. Sonst würde der da hängen. (packt das Bild)

Maxi: Ihr Alter?

Pantalone: Mein Urur!

Maxi: Hübscher Mensch.

Pantalone: Ja, er sieht mir ähnlich.

Dottore (kommt mit Werkzeugkasten): Es wird sofort aufgetan. (schlägt einen Nagel ein, hängt das Bild mit dem Porträt zur Wand.)

Pantalone: Was soll das?

Dottore: Wegen der Sitte! Bei der Gelegenheit... (will die übrigen Bilder auch noch umdrehen.)

Maxi (lacht)

Pantalone (schreit): Rebellion!

Dottore (zuckt zusammen): Sehr wohl! (dreht das Bild zurück, eilig ab)

Pantalone: Immer diese Eigenmächtigkeiten. (zu Maxi) Wir futtern was vorher! Ja?

Maxi: Wenn’s sein muss! (macht sich's im Sessel gemütlich)

Pantalone (verneigt sich jovial): Pantalone! Hubert! (setzt sich)

Maxi (vergnügt): Maxi.

Pantalone: Sehr hübsch! Maxi. Sehr hübsch. Es gibt Rehrücken!

Maxi: Bin nicht verwöhnt.

Pantalone: Dich verwöhnen und dann sterben.

Maxi: Immer schön langsam!

Dottore (mit Servierwagen herein): Bitte! Die Dame! (serviert eilig) Bitte! Der Herr! (mit Servierwagen ab)

Pantalone: Greif zu, Kind. (isst gierig) Mein Koch ist einer der besten im Lande!

Maxi (kostet): Igitt, das ist ja Hammel!

Pantalone: Hammel?

Maxi: Diese Viecher essen Sie?

Pantalone: Dottore! Dottore!

Dottore (tritt auf): Bitte sehr?

Pantalone (zeigt auf die Speise): Was ist das?

Dottore: Hammel, wie ich höre.

Pantalone: Das wagen Sie aufzutun?

Dottore: Er ist ganz frisch.

Pantalone: Ich will Rehrücken!

Dottore: Die Rehe sind übergelaufen.

Pantalone: Übergelaufen? Was soll das heißen?

Dottore: Keine Ahnung.

Pantalone: Wohin laufen die Tiere?

Dottore: Aufs Festland.

Pantalone: Alle?

Dottore: Na ja... Wenn Sie mich fragen...

Pantalone: Wer noch?

Dottore: Einige Leute von... sagen wir Geist.

Pantalone: Männer der Stirn?

Dottore: Tier und Mensch, Mensch und Tier!

Pantalone: Und die Hammel bleiben?

Dottore: Die bleiben.

Maxi: Nett von den Tieren! (schiebt den Teller weg)

Pantalone: Du halt deinen Schnabel! Hammel ist auch Fleisch. (beißt hinein)

Dottore: Wein gefällig?

Pantalone: Codorniu.

Dottore: Nur Apfelwein im Moment. Dezent im Holz!

Pantalone: Und gut für die Gesundheit. Beeilung!

Dottore: Sehr wohl. (ab)

Pantalone: Zieh dich aus!

Maxi: Eine Enttäuschung, Ihr Paradies!

Pantalone: Philosophier jetzt nicht!

Maxi: Nicht mal Cordenu!

Pantalone: Codorniu! (schiebt den Teller zur Seite) Geht auch ohne!

Dottore (bringt geschäftig Gläser und eine Flasche): Da war noch eine halbe. (will einschenken)

Pantalone: Danke! Mach ich selbst! (schenkt ein, Dottore ab) Hat mein Diener die Eventualitäten geklärt?

(Rumoren im Untergrund)

Maxi: Oh! Hören Sie das?

Pantalone (hebt das Glas) Auf dich!

Maxi: Da unten rumort was!

Pantalone: Was kriegst du? (zieht seine Geldtasche) Na sag schon!

(Die Falltür hebt sich leicht an)

Maxi (entsetzt): Da! Die Diele hebt sich!

Pantalone: Unsinn!

Maxi: Ich seh's doch

Pantalone: Gleich vorüber! (tritt selbstbewusst auf die Falltür, die sich schließt, aber sofort wieder erhebt, sobald Pantalone herabtritt)

Maxi: Unheimlich.

Pantalone (stellt sich erneut auf die Tür): Das gibt sich, gibt sich alles. Liegt am Holz, das arbeitet. (verlässt die Falltür) Siehst du, schon vorbei. Vorbei! (starrt gebannt zur Tür, die sich langsam wieder hebt) Was ist los da unten? (reißt die Falltür hoch) Oh!

Maxi: Na?

Pantalone: Wer sind Sie?

 

 

 

4.Szene

 

Brighella (aus dem Untergrund): Ich bin die schicksalsmächtige Fügung.

Pantalone: Humbug! Was machen Sie da unten?

Brighella (aus dem Untergrund): Ich komme!

Pantalone: Er kommt? Ha!! (knallt die Tür mit Wucht zu) Schicksalsmächtige Fügung! Dass ich nicht lache! In meinem Haus! (Die Tür hebt sich langsam) Runter! (tritt mit Wucht auf die Tür) In meinem Haus bestimme ich! (die Tür hebt sich erneut) Ich. Immer noch ich. (tritt mit Wucht, doch die Tür erhebt sich) Ich, ich, ich! Und dieser Fügerich bleibt unten!

Maxi (lacht amüsiert)

Pantalone: Schnauze!! Bin ich Herr in meinem Haus? Ich bin's! Und ob ich es bin. Dottore! Dottore!

Dottore (tritt ein): Bitte sehr.

Pantalone: Stellen Sie sich da rauf! (zeigt)

Dottore: Oh!

Pantalone: Stellen Sie sich auf diese Erhebung und kommen Sie mir nicht eher wieder herunter, bis der Spuk vorüber ist.

Maxi: Ein Gespenst! (sucht die Tür)

Dottore: Gespenster sind in diesem Jahrhundert, zumindest wissenschaftlich betrachtet, eigentlich nicht aktuell. Allerdings: Furcht sieht überall Gespenster!

Pantalone: Schwafle nicht, tu, was ich sage.

Dottore: Sehr wohl! (stellt sich auf die leicht angehobene Tür, die aber nicht nachgibt, sondern angehoben bleibt)

Maxi: Die geht nicht mehr zu!

Pantalone: Na und? Stehen Sie gut?

Dottore: Habe schon besser gestanden.

Pantalone: Verlassen Sie sich auf mich. (gibt Maxi einen Klaps auf den Popo) Los, Schlampe! (versucht, sie zum Bett zu dirigieren)

Maxi: He! Alte Sau!

Pantalone: Jetzt beginn ich.

Maxi: Nicht, wenn der zuguckt!

Pantalone: Dottore gehört zur Familie, sozusagen. Nicht, Dottore?

Dottore: Wohl, wohl. Allerdings, im vorigen Jahrhundert...

Pantalone: Schon gut! Schau weg! (Dottore dreht sich ab) Jetzt beginn ich! (wirft das Deckbett zurück)

(Die Falltür hebt sich noch weiter)

Dottore: Hilfe, ich erhebe mich!

Pantalone: Untersteh dich! (eilt Dottore zu Hilfe, tritt die Falltür nieder) Nicht gleich die Flinte ins Korn, Dottore. So etwas geht vorüber. Ein Anfall. Ein Zucken. Na! (tritt von der Falltür herunter) Sehen Sie. Alles vorüber.

Dottore: Soll ich ewig hier stehen?

Pantalone: Nicht doch. (lauscht zum Boden) Hat sich beruhigt.

Maxi: Gar nicht gemütlich bei Ihnen.

Pantalone: Wird, Schatz, wird gemütlich. Wird alles. Noch einen Schluck. (trinkt, fordert sie auf)

Maxi: Und wo sind die Lappen?

Pantalone (lacht, reicht ihr Scheine)

Maxi: Keine Gefahrenzulage?

Pantalone: Was soll das heißen?

Maxi: Ohne Zulage läuft nichts!

Pantalone: Zeiten sind das! (gibt ihr noch einen Schein) Zeiten!

Maxi: Die Preise galoppieren, Süßer!

Pantalone: Jetzt aber los! (tritt zu Maxi, will ihr ans Kleid)

Dottore: Hilfe! (rutscht von der Falltür, die sich öffnet, so dass Brighellas Kopf mit schwarzer Halbmaske sichtbar wird)

Maxi (schreit auf und rennt hinaus)

Dottore: Das Gespenst!

Pantalone: Oohh!! Oho! Das... (findet seine Fassung wieder) Stopf's runter! Runter! Los! Mach schon!

Dottore: Sieht so menschlich aus.

Pantalone: Runter damit!

Dottore: (zu dem Kopf) Sei nett. Verschwinde. Du störst den Herrn, den Vornehmsten der Vornehmen. Außerdem ist gar nicht Mitternacht. Na mach schon. Der rührt sich nicht. Vielleicht sollten wir ihn fragen. Vielleicht hat er nur irgendein Bedürfnis, ein natürliches. Sind Sie stumm?

Brighella (starrt stumm)

Pantalone: Hau die Tür zu!

Dottore: Und wenn ich ihm weh tue?

Pantalone (schreit) Hau zu!

(Brighellas Kopf verschwindet)

Dottore: Sieh da! (fasst die Falltür und schlägt sie zu)

 

 

 

5.Szene

 

Pantalone: Gott sei Dank! (sinkt aufs Bett) Woher kommt sowas?

Dottore: Also wenn Sie mich fragen...

Pantalone (winkt ab): Soll ich mich damit abfinden, dass ich einen Keller habe, bevölkert mit einer schiksalsmächtigen Fügung, die mich anglotzt, wenn es ihr passt?

Dottore: Verzeihung, wer glotzt Sie an?

Pantalone: Er sagt, er sei die schicksalsmächtige Fügung.

Dottore: Klingt gar nicht gut!

Pantalone: Und diese Visage!

Dottore: Sehr verdächtig.

Pantalone: Das Verdächtige ist das Gefährliche.

Dottore: Das unbekannte Verdächtige.

Pantalone: Das verdächtige Unbekannte.

Dottore: Dagegen sollten Sie etwas tun.

Pantalone: Lassen Sie sich etwas einfallen.

Dottore: Ich? (nimmt einen Schluck)

Pantalone: Wofür bezahl ich Sie?

Dottore: Wenn Sie mich fragen, sage ich Ihnen, was gut ist, bezahlt man nicht zu teuer!

Pantalone: Herrgott, kommen Sie mir jetzt nicht...

Dottore: Nägel!

Pantalone: Nägel? Ah, verstehe. Sehr gut. Nägel. Sie nageln zu, radikal zu. Das ist absolut. Und ich, ich wink mir eine Neue. Eine Hübsche.

Dottore: In solchen Zeiten?

Pantalone: Eine kommt immer. (erhebt sich, schlägt Dottore vertrauensvoll auf die Schulter) Sie nageln und ich winke. Die Kleine war schon ganz proper, wissen Sie. Bisschen natürlicher könnte sie sein. Verstehen Sie, was ich meine? Die haben immer so viel Schmiere drauf. Mag ich nicht!

Dottore: Für'n Teint.

Pantalone: Papperlapapp! Ich will sie pur.

Dottore: Sehr wohl. (schnell ab)

Pantalone: (will zum Fenster, zögert, lauscht misstrauisch, holt hastig einen Sessel heran, stellt ihn auf die Falltür, lauscht, besorgt) Dottore, wo bleiben Sie denn? (zerrt nervös den zweiten Sessel auf die Falltür) Dottore!

Dottore (eilt mit einem Werkzeugkasten herbei): Bitte sehr! (räumt die Sessel beiseite) Bitte gleich!

Pantalone: Auf Sie ist Verlass! Schlagen Sie kräftig, schonen Sie sich nicht. Ich winke inzwischen. (tritt ans Fenster, winkt)

Dottore (hämmert verdrossen): Das Fleisch wird teurer.

Pantalone: Wie?

Dottore (hämmert): Das Brot wird teurer.

Pantalone: Das ist doch normal, Mensch.  Sonst floriert die Wirtschaft nicht.

Dottore (hämmert): Wird alles teurer.

Pantalone: Richtig. Werd' auf zehn Hunnis gehen, wie?

Dottore (hämmert): Das müsste sogar für mich reichen.

Pantalone: Für dich?

Dottore: Bin auch nur ein Mensch.

Pantalone: Fällt dir nicht auf, dass ich dich duze?

Dottore: Und was kann ich mir dafür kaufen?

Pantalone: Diese Moral. Selbst bei dir...

Dottore (zeigt auf die Falltür): Noch mehr solche Erhebungen, und ich flippe aus.

Pantalone (winkt ab): Die Geschichte ist zur Ruhe gekommen.

Dottore: Meine Nägel!

Pantalone: Ist noch Codorniu?

Dottore: Wir könnten drin baden.

Pantalone: Und du verschreckst mich mit Apfelwein?

Dottore: Es könnte falsch ausgelegt werden, dacht ich.

Pantalone (fröhlich):: Ah, da kommt eine! Dottore, das Leben ist eine Lust. Das Schicksal (schaut zur Falltür) haben wir weggesperrt. Sagte ich Schicksal?

Dottore: Sehr kühn. Wer gegen das Schicksal kämpft, hat einen schlimmen Feind.

Pantalone: Sagen wir Scheusal. Das Scheusal haben wir weggesperrt. Und jetzt will ich Sekt. Gleich kommt sie herein, die Hübsche!

Dottore: Sehr wohl. (ab)

(Die Falltür hebt sich, Brighella erscheint, glotzt)

Pantalone (außer sich): Ist denn das die Möglichkeit? Verschwinde! Scheusal! (rennt zur Falltür, tritt darauf, sie bewegt sich nicht. Er stößt wild mit den Füßen nach dem Kopf, der verschwindet. Aber die Falltür bleibt angehoben. Er tritt wie besessen immer wieder in die Öffnung) Nicht mal auf ordinäre Nägel kann man sich verlassen.

 

 

 

6.Szene

 

Midi (üppiges junges Weib, modisch leger, in der Tür): Was machen Sie denn da?

Pantalone: Ich? Freiübungen. Freie Übungen, sozusagen. Gegen das Alter. (sie bewundernd) Hübsch!

Midi: Nicht mehr der Jüngste, wie?

Pantalone: Aber opulent.

Midi (zeigt auf die Falltür): Und was ist das?

Pantalone: Eine Erhebung.

Midi: Was Perverses, wie?

Dottore (mit Sekt): Da wäre der Sekt (sieht die halboffene Falltür) Oh! (zittert, lässt die Flasche fallen, versucht sie abzufangen, fasst sie ungenau, sie fällt in die Öffnung)

Brighella (aus dem Untergrund): Au!

Pantalone: Ochse!

Dottore: Eben hatte ich das abgeklärt.

Pantalone: Gepfuscht hast du.

Midi: Wer ist da unten?

Pantalone: Ein... Verbrecher!

Midi: Ein richtiger?

Pantalone (zu Dottore): Und du haust ihm Sekt runter.

Midi: Kommt er hoch?

Pantalone: Da sei Gott vor!

Midi: Ach, er kommt nicht hoch?

Dottore: Soll ich die Polizei?

Pantalone: Kein Aufsehen. Ein subversives Element in meinem Haus. Wenn sich das herumspricht. Nicht auszudenken.

Midi (tritt an die Falltür): He! Sie da unten! Sind Sie ein Element?

Pantalone: (reißt sie zurück): Was redest du mit dem!

(Im Untergrund Knall des Sektkorkens)

Midi: Oh! Er schießt!

Pantalone: Diese Bestie.

Midi: Ein richtiger Verbrecher. Hier auf der Insel. Wenn das keine Sensation ist. Ich steh auf so was.

Pantalone: Kind. (zu Dottore) Sekt.

Dottore: Sehr wohl. (ab)

Midi (setzt sich in einem Sessel zurecht, schaut gebannt auf die Öffnung): Endlich mal was Neues in dem Nest.

Pantalone: Genau meine Meinung! Etwas Neues! Ich liebe das Neue. Die neuen Fragen, die neuen Antworten, da geht nichts drüber

Midi: Was hat er verbrochen?

Pantalone: Genau genommen ist sein Verbrechen, dass er existiert. In meinem angestammten Besitz, auf unserer freiheitlichen Insel. Ohne mich zu fragen! Ist das nicht Verbrechen genug?

Midi: Ein Verbrechen. Ohne Zweifel. Da! (Die leere Sektflasche wird über den Rand herausgeschoben) Er hat ihn getrunken. Auf einen Zug!

Pantalone: Wenn das kein Verbrechen ist.

(Brighellas Kopf erscheint)

Midi: Oh, ist der aber schmutzig!

Pantalone: Ein Vieh!

Brighella: Eh, Midi!

Midi (entzückt): Er kennt mich! Toll! Wer sind Sie?

Brighella: Der Heizer.

Midi: Haha! (zu Pantalone) Sie sind ja ein Spaßvogel.

Pantalone: Heizer! Mitten im Sommer?.

Midi: Haben Sie überhaupt einen Ofen? Da unten?

Pantalone: Wenn ich das wüsste.

Midi: Er hat's gesagt. Er ist der Heizer. Er heizt Ihnen ein.

Pantalone: Sehr neu! (wischt sich Schweiß) Sehr neu.

Dottore (mit einer Flasche Sekt): Hier wäre der Sekt.

Pantalone: Dottore, ich fürchte, wir müssen uns arrangieren mit dem da. Oder?

Dottore (wiegt unschlüssig den Kopf)

Pantalone: Ich muss nachdenken. Schick mal die Kleine raus. Sag ihr, ich beginne später.

Dottore: Alles klar, (zu Midi) Mach mal Pause, Puppe!

Midi: Was denn? Jetzt? Wo's spannend wird!

Dottore: Verzieh dich! (drängt sie hinaus) Geschäfte!

Midi (entzieht sich): He!

Brighella (ruft Midi nach): Hallo, Baby! Vergiss Brighella nicht!

Midi: Du bist Brighella? Schön. Ich werde überall von dir erzählen. (will ab)

Pantalone: Nicht doch! Nichts erzählen! Komm her, Schatz, komm! (winkt die erstaunte Midi zu sich) Siehst du, das da (zeigt auf Brighella) bedeutet etwas. Irgend etwas. Aber was?

Midi: Ist er kein Verbrecher?

Pantalone: Die neuen Fragen! (winkt ab) Ich liebe sie! Überall fechte ich für das Neue. Was wäre das Land ohne mich. Rückständig. Überschwemmt von der nagenden Angst in die Zukunft Nur ich allein, ich pflege die Liaison mit der Natur. (greift hastig nach ihren Brüsten und Schenkeln) Natur! Quell alles Beginnens. (winkt ab) Reden wir nicht darüber. (zeigt zu Brighella) Aber das!? Nein! Wer soll sich mit Kloake einlassen?

Midi: Er stört uns.

Pantalone: Kind, ich sehe, du begreifst die Welt. Keine Sorge, ich regele das. Gleich sind wir ungestört (fasst wieder nach ihren Brüsten) und beginnen. Ja?

Midi (entzieht sich)

Pantalone: Nichts für ungut! (schreibt ihr ein Papier) Wie heißt du?

Midi: Midi.

Pantalone: Ach ja richtig Entschuldige! Midi! Sehr schön. (verneigt sich) Hubert! Hubert Pantalone.

Midi: Wer kennt Sie nicht.

Pantalone: Kleiner Schäker. Du wartest draußen einen Moment, ja, kleine Disposition noch. (gibt ihr das Papier)

Midi (schaut darauf, sehr erfreut) Hubert! (fliegt ihm an den Hals) Wann du willst!

Brighella: Midi, deutsches Mädchen, wirf dich nicht weg!

Midi: Ach du. Was soll ich denn machen?

Pantalone (zu Brighella) Sie sind still! (gibt Midi einen Klaps auf den Popo, schiebt sie ab) Wart draußen! Dottore, geleite sie! (Dottore mit Midi ab) Nun zu Ihnen! Sie nennen sich Brighella. Ein Bergamaske. Ich erinnere mich. Rauh wie die Berge. Gerissen. Und boshaft. Leider. Wie kommen Sie in mein Haus, in mein Schlafzimmer? Nicht sehr manierlich, wie? Bitte, wenn Sie keinen anderen Ausweg finden als mein Schlafzimmer, na gut. An mir soll es nicht liegen. Wäre wahrscheinlich nicht einmal die letzte Überraschung auf dieser Welt. Aber mein Heizer, mein Heizer sind Sie nicht!

Brighella: Kennen Sie Ihren Heizer?

Pantalone: Ich kenne mein Heizhaus. Und das befindet sich nicht da unten.

Brighella: Irren ist menschlich.

Pantalone: Also wohin wollen Sie? Hier können Sie nicht bleiben. Ostsee? Südsee? Könnte Ihnen einen Scheck... Oder wollen Sie bloß in’ Buff?

Brighella (hält den Zeigefinger vor den Mund, tut geheimnisvoll, kommt im gleichen Moment etwas weiter hervor)

Pantalone (ängstlich): Dottore! (mogelt sich zur Tür) Dottore!

Brighella (zeigt mit dem Kopf in Richtung Bett): Bequem, wie? (ruhig) Werd ich auch noch ausprobieren. (kommt noch etwas weiter heraus) Die Hübsche gehört mir, klar?

Pantalone: Junger Mann! So lange ich Herr im Hause bin, treibe ich es mit dem Volk! Nur ich!

Brighella: Kommt Zeit, kommt Tat.

Pantalone (sinkt erschöpft in einen Sessel): Kerl, was willst du?

Brighella (schreit plötzlich nach unten): Lass das!

Colombine (von unten, schreit): Du Sau!

Brighella (nach unten): Lass los! Du sollst loslassen!

Colombine (von unten): Au! Könnt dir so passen! Au!

Brighella: Schlampe! Du hältst mich nicht! Zerr mich nicht! (zu Pantalone) Entschuldigung (ab, Geschrei unten)

Pantalone (erhebt sich baff, schaut nach unten)

Dottore (tritt auf): Midi ist... Oh! Was jetzt?

Pantalone: Hat Probleme, der Lümmel. Mit seiner Alten. Vermutlich. Schnell. Komm her. (will die Tür schließen) Los! (es gelingt beiden nicht, die Tür zu bewegen) Himmel, Arsch und Zwirn! (setzt sich erschöpft aufs Bett) Ich war so optimistisch. Immer, wenn mir nach was Frischem ist, bin ich optimistisch. Und ich sage dir, Dottore, so lange ich nach der Natur greife, bin ich nicht verloren. Tief hinein muss ich, tief.

Dottore (tritt vorsichtig an die Luke, schaut hinunter, sieht offenbar etwas Bemerkenswertes): Oh! Ja! Eih!

(Geschrei unten)

Pantalone: Was zu sehen?

Dottore: Einen Rock oder so etwas. Und Schenkel, vermutlich. Nicht übel!

Pantalone: Schenkel? Verstehst du etwas davon? (tritt ganz nah, bückt sich mühsam, will schauen)

Brighella (taucht plötzlich auf): Entschuldigung! (klappt nach unten verschwindend die Falltür über sich zu)

 

 

 

7.Szene

 

Pantalone: Haste Töne?

Dottore: Den sind wir los!

Pantalone: Treibt der Unzucht da unten in meinem Haus?

Dottore: Scio, me nihil scire.

Pantalone: Werden wir uns auch ein bisschen vergnügen. Nicht wahr! Bin schon ganz krippelig. Wo ist die Kleine?

Dottore: Beschäftigt, inzwischen.

Pantalone: Kommt sie danach?

Dottore: Sehr gern.

Pantalone: Du bist Gold wert. Wenn ich dich nicht hätte. Weißt du, offen gesagt, manchmal ist mir hundeelend, fühle ich mich krank, habe ich Depressionen. Aber wenn dann du... Kein Johanneskraut! Taufrisch muss sie sein. Verstehst du? Ist sie noch taufrisch?

Dottore: Doch, doch, irgendwie, wenn man davon absieht, wissenschaftlich gesprochen... Kaum achtzehn, jedenfalls.

Pantalone: Dottore, wir lassen uns nicht unterkriegen. Vielleicht sollte ich mit dem da unten verhandeln, ihm was bieten, was weiß ich... Wie kauft man so einen?

Dottore: Wenn Sie mich fragen, dann sage ich, handeln macht den Mann.

Pantalone (blickt zur Falltür): Dieses Rauf und Runter in meinem Haus! Was will der Kerl? Hast du irgendeine Erklärung?

Dottore: Uns mürbe machen! Wahrscheinlich.

Pantalone: Mürbe! Das ist es!

Dottore: Ich hätte da eine Idee.

Pantalone: Und?

Dottore: Wir stellen Grünzeug auf. Rundherum!. Kann er nichts sehen, wenn er wieder hochkommt.

Pantalone: Ah, verstehe. Nicht übel. Und wenn er herauskommt? Was dann? Der kommt heraus! Ich hab’s im Urin! Der kommt!

Dottore: Dann sagen wir, wir empfangen ihn mit Blumen! Das kann niemand übersehen.

Pantalone: Und nicht übel nehmen. Gut! Mach das! Es ist sinnlos, aber mach das!

Dottore: Sofort. (ab)

 

 

 

8.Szene

 

Midi (kommt zurück, müde): Hallo! (zielstrebig zum Bett)

Pantalone: Kind! Du bist mir treu. (zu ihr ans Bett)

Midi: Hab Hunger.

Pantalone: Ich auch. Komm! (will sie küssen)

Midi: Und der da unten?

Pantalone: Macht Pause. Stört uns nicht.

Midi (legt sich aufs Bett, spreizt die Beine): Schaffst du einen Flotten?

Dottore (schiebt auf einem Wagen in Kübeln etwa einen halben Meter hohe Säulen-Wacholder herein)

Pantalone (ungnädig): Was ist denn?

Dottore: Verzeihung, ich...

Pantalone: Ach so. Ja. Na los!

Dottore (stellt die Wacholder um die Falltür) Und wenn er doch drübergucken sollte, stellen wir Bäume auf.

Midi (winkt mit den Beinen): Hallo!

Pantalone: Beeil dich!

Dottore: Ja doch!

Pantalone: Merkwürdig. Ein Loch nach unten. Ich bin immer für das Neue. Schon immer gewesen.

Midi (kichert)

Pantalone: Ja, bin ich! (fasst ihr zwischen die Schenkel) Aber so etwas! So etwas! (lässt ab von Midi) Dottore!

Dottore: Chef?

Pantalone: Was ist los auf der Insel?

Dottore: Alles ruhig. Bis auf die Rehe. Die verduften.

Pantalone: Auf die pfeif ich. Die mendeln sowieso vor sich hin!

Midi: Sie Schlimmer.

Pantalone: Komm! (hockt sich zwischen ihre Beine)

Midi (entzieht sich mit Geste zu Dottore)

Pantalone: Bist du endlich fertig? Und bring uns, die Kleine hat Hunger.

Dottore: Sehr wohl! (geht mit Wagen ab)

Pantalone (will wieder zwischen Midis Beine)

Midi: Moment, Süßer!

Pantalone: He!? Was denn jetzt noch?

Midi: Hab bisschen herumgehört inzwischen...

Pantalone: Ja, ja, die Leute! Die reden über jeden.

Midi: Du bist der größte Geldsack im Land?

Pantalone: Na und? (hält ihr Scheine hin) Hier! Alles für dich.

Midi: Ich will Steine.

Pantalone: Luder!

Midi: Papier treibt in die Inflation.

Pantalone: Wer hat dir denn den Bären aufgebunden?

Midi: Offenes Geheimnis.

Pantalone: Hier! (holt unter dem Bett einen Beutel hervor, nimmt einen Stein heraus, hält das Stück mit zwei Fingern) Gehört dir!

Midi: Den Beutel!

Pantalone: Bist du verrückt?

Midi (lacht, lockt mit den Beinen)

Pantalone: Hure! Hinaus!

Midi (erhebt sich): Überleg dir's!

Pantalone: Hinaus aus meinem Haus! (fasst sich ans Herz, sinkt aufs Bett, stöhnt)

Midi: Gute Besserung. (ab)

 

 

 

9.Szene

 

Pantalone: Dottore! Dottore!

Dottore (tritt auf, betont langsam): Chef?

Pantalone: Wo steckst du denn?

Dottore: Am Strand.

Pantalone: Ausgerechnet jetzt? Das ist nicht nett von dir. Komm, hilf mir auf. Ich helf dir auch.

Dottore: Ach ja?

Pantalone: Hier, gebe ich dir (reicht ihm den Stein)

Dottore: Oh!

Pantalone: Siehst du, so bin ich zu dir. Dabei ist mir, ich weiß nicht wie.

Dottore: Soll ich das Klistier? (fasst unter seinen Mantel, holt eine große Klistier-Spritze hervor)

Pantalone (mit Geste zwischen seine Schenkel): Hier ist das Problem, (mit Geste zum Hintern) nicht hier.

Dottore (lässt die Spritze wieder verschwinden): Ich dachte (zeigt zur Falltür) da ist das Problem.

Pantalone: Ich brauche ein Weib! Die Schlampe wollte Steine! Alle! Stell dir vor: alle! Unverschämtes Luder! Hol mir was Unverdorbenes.

Dottore: Schwierig.

Pantalone: Wie das denn?

Dottore: Seitdem man munkelt, dass es hier ein Gespenst gibt, oder eine Erhebung, ein Verbrechen, was weiß ich, wollen sie alle mehr abgreifen.

Pantalone: Abgreifen? Was abgreifen?

Dottore: Na, Moneten.

Pantalone: Jeden Morgen kommen sie hier vorbei, braungebrannt, knusprig, wiegen sich in den Hüften, nachmittags kommen sie zurück, noch brauner, winken mit dem Popo und tippeln in ihre Lust-Kabinette. Da soll nichts bei sein?

Dottore: Doch, doch, schon! Aber sie verlangen eben immer mehr Penunze.

Pantalone: Bin ja einverstanden. Werd ja nur ärgerlich, wenn sie's gleich auf die Spitze treiben. Erst war sie glücklich, als ich ihr einen Scheck gab, dann kam sie zurück und wollte Steine!

Dottore: So schnelllebig ist die Zeit.

Pantalone: Wie soll ich das verstehen?

Dottore: Sie hatte inzwischen erfahren, wer mit ihr wollte! Wenn ich bei der Gelegenheit den Herrn Multi...

Pantalone: Bist du (zeigt empört auf die mit Wacholder umstellte Luke) wahnsinnig? Auf keinen Menschen kann man sich mehr verlassen.

Dottore (der inzwischen nach unten gelauscht hat): Still da unten.

Pantalone: Gott sei Dank. Und ich dachte schon, das ist ein Betriebsunfall der Weltgeschichte. (reckt sich zufrieden) Dottore, jetzt mal wirklich was Unverdorbenes! So achtzehn. Nicht älter. Ich brauch neue Kräfte.

Dottore: Sie verplempern Ihre Kräfte!

Pantalone: Erfrischung brauch ich! Natur! Los, beeil dich!

Dottore: Ich muss denn doch in aller gebotenen Ernsthaftigkeit noch einmal betonen, ich bin nicht Ihr Lakai, ich bin Ihr Arzt!

Pantalone: Na eben, darum geht es ja, um die Gesundheit! Wie soll ich mit dem da unten fertig werden, wenn ich mir nicht von der Natur etwas Kraft hole.

Dottore: Alter macht zwar immer weiß, aber nicht immer weise.

Pantalone: Quatsch nicht so dämlich.

Dottore: Sehr wohl! (ab)

Pantalone: Dieses verdorbene Volk! Sittenlos. Wertelos. Aber hinterm Geld her.

 

 

 

10.Szene

 

Brighella (schaut über die Wacholder hervor): Ärger gehabt?

Pantalone (erschrocken, fast flehentlich): Mensch, was wollen Sie?

Brighella: Hier raus!

Pantalone: Verstehe! Und dann?

Brighella: Dein Geld.

Pantalone: Wahnsinnig, wie? (stopft hastig den Beutel unters Bett)

Brighella: Kann schon sein.

Pantalone: Und das Weib da unten?

Brighella: Klotz am Bein! Hab ich erst mal bisschen verwackelt. Die stört so schnell nicht wieder!

Pantalone: Tj, und so ein Typ will mein Geld.

Brighella: Keine Sorge!

Pantalone: Was Sie wollen, ist Diebstahl. Verbrechen.

Brighella: Ich werde dein Geld verdoppeln, verdreifachen!

Pantalone (bricht in hysterisches Lachen aus)

Brighella: Ich habe Zeit.

Pantalone: Ich auch.

Brighella: Na bitte. Weshalb die Aufregung?

Pantalone: Und wie wollen Sie das zuwege bringen, das Geld verdoppeln?

Brighella: Meine Sache!

Pantalone: Lüge! Alles Lüge! Hören Sie mal! Ich könnt Ihnen was vorschießen. Was heißt vorschießen. Schenken!

Brighella: Schenk mir die Macht!

Pantalone: Die Macht? Wissen Sie, was das ist?

Brighella: Banken. Fabriken. Justiz. Polizei. Heer. Öffentliche Meinung!

Pantalone: Hm, Ihre Lage bringt Sie auf dumme Gedanken, wie? Haben Sie es bequem?

Brighella: Nicht besonders.

Pantalone: Dacht ich's doch! Dottore!

Brighella: Zuverlässig, der Lakei?

Pantalone: Hören Sie! Ich sorge für Ihr Auskommen, dafür, dass Sie hier rauskommen und so weiter, und Sie, Sie mischen sich nicht in meine Angelegenheiten. Verstanden?

Brighella: Schwierig, mit leerem Magen.

Pantalone: Verstehe!

Dottore (tritt auf): Chef?

Pantalone (zu Brighella): Moment, der Herr! (winkt Dottore zu sich, vertraulich) Keine Fragen! Klar? (wieder lauter) Der Herr hier wünscht zu speisen.

Dottore: Neue Lage, wie?

Pantalone: Schnauze!

Dottore: Sehr wohl, Chef! (will ab)

Pantalone: Sonst nichts?

Dottore: Rosi! Bisschen ordinär, aber...

Pantalone: Beeil dich. Der Herr muss versorgt sein, bevor sie kommt.

Dottore: Für ihn die Rosi? Oder für Sie? Wie läuft das Ding?

Pantalone: Weiß ich's?

Dottore: Wie Sie wünschen. (ab)

Pantalone: Zigarre gefällig?

Brighella: Sag ich nicht nein. Störrisch, der Diener? Wie?

Pantalone (winkt ab, steckt ihm eine Zigarre in den Mund, gibt ihm Feuer): Der Duft der weiten Welt. Eingefangen in eine kleine Rakete. Haha! Kleiner Scherz! Ich sag immer Raketen zu den Dingern.

Brighella (hustet grässlich)

Pantalone: Bisschen kräftig, was?

Brighella: Oh! (hustet, versinkt) Oh! (Husten aus der Tiefe)

Pantalone: Nichts gewöhnt, der Junge.

Dottore (eilig mit gefülltem Tablett): Nanu!

Pantalone: Verträgt die Kubaner nicht.

(Qualm aus der Luke)

Dottore: Wie zu sehen ist! (lacht)

Pantalone: Lach nicht! Er will die Macht.

Dottore (in höchstem Entsetzen): Die Macht? Da sei Gott vor. Wo ich mir schon so lang Mühe gebe... (verstummt)

Pantalone: Du auch?

Dottore: Ich meine, wo ich mir schon so lange Mühe gebe, Sie bei bester Gesundheit... Mein Klistier beispielsweise, wirklich, ein wahres Wunder der modernen Medizin! (Qualm aus der Luke) Was für eine Zigarre war das denn?

Pantalone: Gefährlich, der Kerl! Gib ihm zu essen und zu trinken. Und kleide ihn neu ein. Vergiss nicht, ihm die Schönheiten der Insel zu erklären. Den Sinn der Welt, verstehst du, unserer Welt und ihre wunderbare Ordnung. Dass man nicht unbedingt viel Geld haben muss, sondern dass die Hauptsache ist, dass die, die es haben, es auch richtig hüten, so dass die, die es nicht haben, trotzdem etwas davon haben, und zwar gerade so viel, dass sie nicht alles haben wollen. Verstehst?

Dottore: Verstehe. (Qualm aus der Luke) Der hat einen Zug!

Pantalone: Erzähl ihm von der Schönheit der Natur. Vom Volk! Vom ewigen Beginn! Und so weiter!

Dottore: Ob er's versteht?

Pantalone: Er muss! Und noch eins: Er darf nicht eher aus dem Keller, bis er konform ist. Klar?

Dottore: Nicht eher aus dem Gully! Und warum reden Sie nicht mit ihm?

 

 

 

11. Szene

 

Brighella (kräftiger junger Mann, schwarze Halbmaske, Ärmelweste und darüber geworfener verzierter Mantel, kommt bis zur Hüfte aus dem Kellerloch): Sieg heil!

Pantalone: Sieg!

Dottore: Sieg heil? Wieso das denn?

Brighella: Wo ist Rosi?

Dottore: Sofort, junger Mann, sofort...! Nur, es ist alles so verworren. Verstehen Sie. Die Natur, die Schönheit, und das alles. Und Rosi! Auch Rosi! Sie wird verschreckt sein. Sie wird die neue Zeit nicht begreifen! (zu Pantalone) Warum soll eigentlich ich, reden Sie doch! Sie wollen den Kerl stadtfein machen.

Brighella: Nun halt mal die Luft an! (kommt im typischen Brighella-Kostüm hervor, weite Hose mit Gurt unter dem Mantel) Bin ich etwa nicht stadtfein? Warum ist nicht serviert? Einen Ankömmling von meinem Format fertigt man nicht mit Gerede ab!

Pantalone: Da hat er recht. Völlig recht!

Dottore: Soll ich ihm zur Begrüßung (greift nach dem Klistier) eine kleine Stärkung? (hoffertig zu Brighella) Eigentlich nur für meinen Chef bestimmt.

Brighella: Danke, danke. (setzt sich besitzergreifend breitbeinig in den Sessel) Ich denke, unsere neue Zeit braucht andere Mittel! (beschaut die Speisen auf dem Tablett)

Dottore: Ah so? (lässt die Spritze verschwinden) Andere Zeit, andere Leut!

Pantalone: Ja, sehen Sie, junger Mann, um auf mein Angebot zurückzukommen, ich könnte Ihnen jederzeit...

 

 

 

12. Szene

 

Rosi (leicht bekleidet, stürmt herein): Heil! Heil! (springt auf den Schoß von Brighella, beide kopulieren sofort flott und kurz) Aahh!

Brighella: Aahh!

Dottore: Oho!

Pantalone: He!

Rosi (hingerissen): Briggiiii...!

Pantalone: Was treiben Sie in meinem Haus?

Brighella: Komm, Süße! (zieht Rosi aufs Bett, drängt Dottore zur Seite, winkt Pantalone, spreizt der Rosi die Schenkel) Jetzt du!

Pantalone: Na hören Sie mal, wofür halten Sie mich?

Brighella: Für einen alten geilen Sack!

Pantalone (zu Rosi): Entschuldigen Sie, das ist hier... Mir fehlen die Worte!

Dottore: Andere Zeiten, andere Sitten. Wie?

Pantalone: Hol uns was zu trinken!

Dottore: Also was sich eben hier abgespielt hat, kann nur den allerschärfsten Protest aller anständigen Bürger...

Brighella (packt Dottore am Kragen): Und?

Dottore: Entschuldigung!

Brighella: Wir haben Durst! Klar? (lässt ihn los)

Dottore: Bitte sehr! (ab)

Pantalone: Teilen wir uns, wie?

Brighella: Sag ich doch!

Rosi: Und ich? Was krieg ich?

Pantalone: Hier. (kramt Geld aus seiner Hosentasche)

Rosi (greift danach): Oh, du bist gut. (öffnet die Beine)

Pantalone: Bin ich, bin ich. (schaut verzückt auf Rosi) Natur!

Brighella: Na?

Pantalone: Ehrlich gesagt, wissen Sie, (zu Rosi) Ihr Name?

Rosi: Ich bin die Rosi.

Pantalone: Rosemarie! Sehr schöner Name. Also, ehrlich gesagt, Herr Brighella, könnten Sie vielleicht inzwischen, also, da unten in meinem Haus ist es ja auch ganz nett. (zeigt auf Tablett) Nehmen Sie die Speisen mit.

Brighella: Genierst dich, wie? Mal Folgendes: Ab jetzt geht's nicht ums eigene Vergnügen, ab jetzt geht's um dieses Eiland!

Pantalone: Ich bin immerhin...

Dottore (kommt mit Wein): Bitte sehr, Codorniu!

Brighella: Stell da ab und verschwinde!

Dottore: Herr Pantalone, was sagen Sie dazu?

Pantalone: Ja, also...

Brighella: Verschwinde!

Pantalone: Er sagt es. Du wirst tatsächlich im Moment nicht gebraucht.

Brighella: Ich rufe Sie, wenn es so weit ist.

Dottore: Böse Sitten lernt man schnell! (ab)

Brighella (gießt ein, hebt sein Glas) Auf den Endsieg!

Rosi: Oh, schön! (spreizt die Beine)

Pantalone: Ja, ja, verstehe. Verstehe immer besser. (ergreift ein Glas) Also, wenn Sie die Kraft haben. Ich, ich bin dafür! Letztlich bin ich dafür. Die Industrie setzt auf Okkupation. (stößt mit Brighella an) Trinken wir auf die totale Erneuerung!

Brighella (mit Wink auf Rosi zu Pantalone): Dann nimm sie!

Rosi: Hallo! (winkt mit den Beinen)

Pantalone: Ja, ja...

Brighella (packt den verblüfften Pantalone und schiebt ihn zwischen Rosis Schenkel)

Pantalone: Oh, oh! Ah!

Rosi (schreit kurz auf und fällt kraftlos zurück)

Pantalone: Was hab ich getan?

Brighella: Anders geht es nicht.

Rosi: Briggi, das hab ich nicht verdient!

Brighella: Schon gut. (packt die sich sträubende Rosi)

Rosi: Au! Du tust mir weh!

Brighella: Bis bald! (stößt sie zur Kellerluke hinunter)

Rosi (schreit auf, Schrei in der Tiefe verhallend)

Pantalone: Ich bin unschuldig!

Brighella: Völlig unschuldig. Ich bin Zeuge. Dottore! Dottore!

Pantalone: Mein Gott!

Brighella: Dottore!

Dottore (tritt auf): Der Herr?

Brighella: Bring die nächste!

Dottore: Wie bitte?

Brighella: Eine aus dem Osten!

Dottore: Ich protestiere!

Pantalone: Mach schon.

Dottore: Nein, das nicht! Das nicht!

Pantalone: Dottore, es hat mir gut getan. Ich spüre gleich... Beeil dich!

Dottore: Ich verbitte mir, dass Sie mich duzen! (ab)

Brighella (erhebt sein Glas): Ewiger Beginn!

Pantalone (erhebt auch ein Glas, zögerlich): Großer Beginn!

Dottore (kommt zurück): Tut mir leid!

Pantalone: Was soll das heißen?

Dottore: Kommt keine.

Pantalone: Was?

Dottore: So etwas spricht sich herum.

Brighella: Was spricht sich herum?

Dottore: Na, dass hier... Sie wissen doch, Ihnen muss ich es doch nicht erklären.

Brighella: Haben Sie Lügen verbreitet draußen auf dem breiten Land? (packt Dottore am Kragen)

Dottore: Ich..., wo die Wahrheit einkehrt, kann die Lüge nicht bleiben.

Pantalone: Lassen Sie ihn schon los. (kramt Geld aus seiner Hosentasche)

Brighella: Der Herr macht das ohne Salär. Nicht wahr? Nicht wahr?

Dottore: Ich..., nein, ich kann das nicht. (Brighella hält ihm seinen Dolch an den Hals) Chef, Hilfe!

Brighella: Soll ich Sie ein bisschen anzapfen?

Dottore: Nein, nur das nicht! Ich geh ja schon! (Brighella lässt ihn los) Sehr wohl! Bitte sehr! (ab)

Pantalone: Ich mag keine Gewalt!

Brighella: Ich auch nicht! Unter uns: Jetzt musst du erst einmal zu Kräften kommen. Nicht? (nimmt Pantalone den Spazierstock weg, so dass er erst einmal schwankt) Na, geht doch schon ganz gut.

Pantalone: Die aus dem Osten sind vital. Reine Natur. Nur... Also...

Brighella: Stell dich nicht so an!

Pantalone: Sie zweifeln an meiner Moral? (zeigt auf die Ahnenreihe) Hier, sehen Sie doch! Alle gute Patrioten! National bis auf die Knochen. Blaues Blut. Reinste Rasse. Vorbilder an Ritterlichkeit!

Brighella: Helden der Stirn und des Schlachtfeldes.

Pantalone: Sie sagen es!

Brighella: Sie wussten, was Gegenwart heißt. Immer die einzig verfügbare Lebenszeit. Verstehen Sie? Die Minute jetzt, das ist alles, was wir haben.

Pantalone: Und Ihre Ideen? Wie steht’s damit?

Brighella: Wenn meine Ideen erst einmal verbreitet sind, gehen sie ihren Weg.

Pantalone: Haben Sie überhaupt welche?

Brighella: Hab jetzt keine Lust zu Vorträgen.

Pantalone: Leider weiß man nie genau, wo man mit den Ideen letztendlich ankommt. Sagen Sie schon, haben Sie überhaupt welche?

Brighella: Kernige! Sehr kernige!

Pantalone: Zum Beispiel?

Brighella: Volk ohne Raum! Zum Beispiel.

Pantalone: Na und?

Brighella: Die Massen sind blöd. Die brauchen markige Sprüche. Dann kriegst du sie leicht. Volk ohne Raum. Kann jeder verstehen. Da ist ein Volk, ein gesundes, ein reinrassiges, es wächst und wächst, wird immer größer, und weiß nicht, wohin mit den Leuten. Kein Raum. Klar?

Pantalone: Ja, kann man verstehen.

Brighella: Was mich angeht, ich ziehe es vor, die Untermenschen zu vernichten, deren Territorium ich brauche. Mit dem "Faust" im Tornister!

Pantalone: Das ist ja nun... Ich muss sagen, ganz so...

 

 

 

13. Szene

 

Dottore (drängt ein Weib herein): Hier, die Hanka!

Brighella: Heil, Hanka!

Hanka: Grüß Gott, die Herren!

Pantalone: Na, wie geht's? Gut?

Hanka: Nicht gut, mein Herr!

Brighella (packt sie): Das gibt sich!

Hanka: Was wollen Sie von mir?

Brighella: Eine Kleinigkeit! (wirft sie auf die Couch, fällt über sie her, sie wehrt sich, schreit, er hält ihr den Mund zu.)

Dottore (der zunächst vage versuchte, Hanka zu helfen, verdrückt sich)

Pantalone (tänzelt lüstern ums Geschehen): Ich auch!

Brighella (macht Platz für Pantalone, reißt die Beine Hankas auseinander): Hier!

Pantalone: Schön! (wirft sich auf Hanka, die kurz aufschreit) Aaah!! (erhebt sich, keuchend) Natur! Natur! Ich beginne!

Brighella: Ewiger Beginn! (packt Hanka und wirft die Leblose ins Loch)

Hanka (schreit auf, Schrei in der Tiefe verhallend)

Brighella: Dottore!

Dottore (schaut kaum herein) Hm?

Brighella: Die nächste!

Pantalone: Jetzt etwas Westliches!

Dottore: Ich versteh nicht!

Pantalone: Dann putzen Sie sich die Ohren, mein Herr!

Dottore: Herr Pantalone! Aller gesunder Menschenverstand empört sich gegen Ihr Treiben! Ich werde alle Lebewesen dieser Insel, alle Völker dieser Welt...

Brighella (zieht seinen Dolch): Was werden Sie? (zeigt) Da runter werden Sie gleich fliegen, wenn Sie nicht sofort was Brauchbares hier anbringen. Verstanden?

Dottore: Gottes Mühlen...

Brighella: Um den machen Sie sich mal keine Sorgen, zu dem habe ich einen heißen Draht.

Pantalone: Tatsächlich, Dottore, auch der Heilige Vater macht seine Geschäfte mit uns. Das muss Sie nicht beunruhigen. Im Gegenteil, das sollte Sie als einen Gläubigen, als einen ausgewiesenen Christen, doch wohl eher überzeugen!

Dottore: Ich bin, ich bin... (ab)

Pantalone: Ich muss gestehen, Herr, wie war doch gleich Ihr Name?

Brighella: Brighella, wenn's recht ist.

Pantalone: Ah, ja, ich erinnere mich. Was ich sagen wollte, Herr Brighella, also, es ist eher eine Frage, wenn ich mal so sagen darf, also, weil, ich bin jetzt immerhin doch schon wieder ganz rüstig, sozusagen. Außerdem, man hat schließlich als Mensch so etwas wie ein Gewissen. (zeigt nach unten) Das da sind, waren Menschen. Wenn Sie verstehen, was ich meine...

Brighella: Geld vermehrt sich nicht von allein. Jedenfalls mit Zinsen nicht so gut wie mit Blitzsiegen.

Pantalone: Mich bedrückt das alles.

Brighella (ruft laut): Dottore!

 

 

 

14. Szene

 

Dottore: Komme ja schon! Komme! (zerrt die sich sträubende Madeleine herein) Hier! Etwas Westliches. (ab)

Brighella: Name?

Madeleine: Nicht verstehen.

Pantalone: Lass mich mal. Ja, Lady, Madame, die Umstände dieser Welt, verstehen Sie?

Madeleine: Nicht verstehen.

Pantalone: Hier (zeigt aufs Bett) ist Ihre Zukunft. Wir zwei haben uns entschlossen, und da brauchen wir, sagen wir Ihre Schenkel, nicht wahr, brauchen wir, um die Welt gründlich zu retten. Vor der Bürokratie, der Plutokratie, der Demokratie und der Bolschokratie.

Madeleine: Nicht verstehen.

Brighella: Genug Diplomatie! (will sie packen)

Pantalone: Lass mich! (zu Madeleine) Gestatten Sie? (fasst galant nach ihrer Hand, gibt ihr einen Handkuss, zeigt ebenso galant zum Bett)

Madeleine: Porc!

Pantalone: Wie bitte?

Madeleine: Non!

Pantalone: Mit Güte ist die Welt eben nicht zu retten. Das hat noch nie geklappt.

Brighella: Sag ich doch! (packt Madeleine, hält ihr den Mund zu, wirft sie aufs Bett, nimmt sie) Hier! Jetzt du! (Madeleine leblos)

Pantalone: Schön ist sie, wunderschön!

Brighella: Na mach schon. (stößt Pantalone auf Madeleine)

Madeleine (kommt in diesem Moment wieder zu Bewusstsein, haut dem Pantalone eine Ohrfeige, kann ihn von sich abwälzen, springt vom Bett): Criminel!

Brighella (packt Madeleine erneut, wirft sie aufs Bett, hält sie fest): Los endlich.

Pantalone (hält sich die Wange, schwärmt): Ein Temperament! Das brauche ich. (geht über sie)

Brighella: Na, zahlt sich das nicht aus?

Pantalone (erschöpft, rappelt sich hoch): Jetzt brauch ich was in die Kehle.

Brighella (wirft die leblose Madeleine ins Loch)

Madeleine (schreit auf, Schrei in der Tiefe verhallend)

Brighella: Dottore! Dottore!

Dottore (tritt auf): Hm!

Brighella: Wir haben Durst!

Dottore: Na und?

Pantalone: Wie soll ich das verstehen?

Dottore: Ich habe auch Durst.

Pantalone: Dann trinke mit uns.

Dottore: Danke.

Brighella: Was soll das heißen?

Dottore: Danke heißt Danke. Bisher jedenfalls. In den alten Zeiten.

Brighella: Soll das heißen, dass Sie nicht mit uns trinken wollen, obwohl wir Ihnen das großzügig anbieten? (zieht den Dolch)

Dottore: Wenn Sie mich fragen, ob man vor einer längeren Fahrt ins Ausland die Bremsflüssigkeit wechseln sollte, sage ich Ihnen, Sie sollten das auf jeden Fall tun. Wenn man die Bremsflüssigkeit längere Zeit drin behält, läuft man Gefahr, dass man Dampfblasenbildung bei großer Belastung der Bremsanlage hat. Das hat was mit Zersetzung zu tun. Bremsflüssigkeit ist sehr stark hydrokopisch, Wasser zieht immer Wasser. Also die Gefahr ist recht groß. Sie sollten auf jeden Fall auswechseln. (ab)

Brighella: Hat der einen Sparren zu wenig?

Pantalone: Ein Mann der Stirn, macht gern gelehrte Ausführungen. Bis jetzt eigentlich zuverlässig.

Brighella: Wenn er so weitermacht, fliegt er auch da runter! Dottore!

Dottore (kommt mit Servierwagen, darauf mehrere Flaschen Sekt) Codorniu, bitte sehr.

Pantalone: Setzen Sie sich doch zu uns. Warum soll für Sie nicht auch etwas abspringen in dieser völkischen Zeit.

Dottore (öffnet eine Flasche, gießt in zwei Gläser): Wenn Sie mich fragen, was Sie gegen lange Vogelkrallen tun sollen, kann ich Ihnen nur raten, mit Ihrem Wellensittich schleunigst zu mir zu kommen. Ich werde Ihnen zeigen, wie man die Krallen beschneidet. Danach müssen Sie die runden Plastik- oder Holzstangen im Käfig gegen unregelmäßig dicke Zweige und dünne Äste von Weiden oder Obstbäumen auswechseln. So verhindern Sie das erneute Langwerden der Krallen Ihres Wellensittichs. (ab)

Brighella: Der Mann wird gefährlich.

Pantalone: Der ist meschugge.

Brighella: Ich bring ihn um!

Pantalone: Erst mal etwas trinken. Kommen Sie! (reicht ihm ein Glas)

 

 

 

15. Szene

 

Colombine (schaut aus der Luke): Briggi, du Sau, was treibst du? Willst du alle Weiber ficken?

Brighella: Wenn du dich zierst!

Colombine: Ich lass mich nicht vergewaltigen! Auch nicht von dir!

Pantalone: Sieh an! Sieh an! Die Frau Heizerin! Forsch! Forsch!

Brighella: Colombine, meine Verlobte.

Pantalone: Die Verlobte! So, so!

Brighella: Reinste Rasse.

Pantalone: Seh’ ich, seh’ ich! (tritt näher) Hübsch! Sehr hübsch! Was bei mir da unten so alles heranwächst. Wollen Sie uns nicht Gesellschaft leisten, gnädige Frau?

Colombine (zu Brighella): Wer ist der?

Brighella: Schatz, das ist der berühmte Pantalone. Aus der Commedia dell'arte der.

Colombine: Keine Ahnung.

Brighella: Damals ein geiler Kaufmann. Heutzutage Herr über Täler und Höhen wie Tiere und Menschen. Und so weiter und so fort. Du verstehst.

Colombine: Und für den gehst du fremd?

Brighella: Ist doch alles ganz anders. Hier geht es um einen völkischen Aufbruch, wie es ihn noch nie gab! Unser Leben wird schön. Komm hoch. Wir können heiraten.

Colombine: Heiraten? Dich?

Pantalone: Sehr attraktiv!

Brighella: Komm doch erst mal hoch. Hier, ein Schluck!

Pantalone: Gnädigste, wenn ich hier eine Bemerkung machen darf, also, wissen Sie, den hier müssen Sie nicht heiraten!

Brighella: Wer soll sie nehmen, die Schlampe, wenn nicht ich?

Pantalone (richtet sich hoch auf): Ich! Ich zum Beispiel! Ich halte um ihre Hand an! Höchst offiziell!

Colombine (kommt hoch): Wer sind Sie?

Pantalone: Der Herr im Hause, mein Kind. Hier meine Vorfahren. Edles Blut, edle Besitzer. Ich bin nicht mehr der Jüngste, gewiss, aber, wie Sie ja vielleicht gehört haben, noch immer und vor allem neuerdings äußerst mobil. Dank Ihres Verlobt..., ihres Freundes, wenn ich so sagen darf.

Brighella: Nun mal langsam. Der Chef bin ich!

Colombine: Du, Briggi?

Brighella: Ja, du Hure, so ist das. Dieser Herr hier hat durch meine Hilfe seine müden Finanzen aufgebessert. Das hat zwar (zeigt nach unten) ein paar Opfer gekostet, wie du gesehen hast, aber die Welt ist neu aufgeteilt. Jetzt können wir in aller Ruhe heiraten. Herr Pantalone hat mir ein paar Reisen versprochen. Stimmt's?

Pantalone: Stimmt.

Brighella: Alles paletti!

Pantalone: Moment, mein Bester, so haben wir nicht gewettet. Mein Vorschlag war, Sie sollten verduften. Dafür hatte ich Ihnen Angebote gemacht.

Brighella: Schnee von gestern! Hab ich vielleicht keine Belohnung verdient nach dieser selbstlosen Hilfe? (Pantalone kokettiert hinter Brighellas Rücken mit Colombine, Colombine schaut immer wieder vorsichtig, damit es die beiden nicht bemerken, zur Luke) Du lässt mir jetzt auf dem Gipfel eine Hütte bauen, mit Fahrstuhl aus dem Tal, und dann heirat ich meine Schlampe.

Pantalone: Darüber lässt sich reden. Hütte oder Palast, meinetwegen. Aber die Kleine gehört mir. Was, Hübsche? Sie kommt aus meinem Keller, und es war allerhöchste Zeit, dass ein Pantalone so was Knuspriges von unten zu sich ins Bett holt. Das wird ein strammer Erbe! Wir werden ein neues Geschlecht in die Welt setzen. Für das Reich des Jahrtausends! Und was Sie betrifft, Briggi, Sie sorgen erst einmal dafür, dass mein Erzfeind verschwindet, diese unmögliche Düne da draußen, die mir den Blick auf das Meer verstellt.

Colombine: Eine Düne? (tritt zum Fenster)

Pantalone: Ja, so ein hässliches (tritt hinter Colombine, hebt ihren Rock) Hindernis.

Brighella (reißt Pantalone von Colombine zurück, so dass er taumelt und aufs Bett fällt): Die gehört mir! (packt Colombine)

Colombine (entzieht sich): Das könnte dir so passen. Wer bist du denn? Ein Schläger! Hier! (zeigt) Überall blaue Flecke!

Brighella: Ich bring dich um!

Pantalone (der sich aufrichtet): Lassen Sie die Finger von ihr!

Brighella (lässt sich ablenken, wendet sich Pantalone zu, packt ihn, schüttelt ihn): Du elendes Gestell, du verkommene Gesellschaft, du Auslaufmodell, du wagst es, mir das Mädel abspenstig zu machen?

Pantalone (ringt nach Luft): Dottore! Dottore!

Dottore (kaum sichtbar): Chef?

Brighella (lässt von Pantalone ab, stürzt sich auf Dottore, zerrt ihn herbei, reißt den Dolch heraus, hält ihn an Dottores Kehle): Wer kriegt Colombine?

Colombine (die sich unterdessen zum Loch geschlichen hatte, ruft nach unten): Arli!! Los endlich!

Brighella (lässt von Dottore ab, schaut wie auch Dottore und Pantalone überrascht zu Colombine): Arlecchino? (tritt neugierig an die Luke) Der?

Colombine (sich von der Luke entfernend): Die Alliierten unterstützen, verstehst?!

Pantalone: Alliierte? (tritt neugierig ebenfalls an die Luke, schaut hinunter)

Colombine (versteckt sich hinterm Bett, schreit): Jetzt!

(Knall. Feuer. Dunkel. Vorhang)

 

 

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